2012 - Schatten der Verdammnis
dann wird’s nicht lange dauern, bis man herausbekommt, was du unternommen hast, um die Sache in Massachusetts zu manipulieren. Das könnte eine echte Katastrophe geben.«
Borgias Gesicht wird puterrot. »Sehen Sie dieses Auge, Mr. Mabus? Das hat mir dieser Scheißkerl angetan! Und jetzt soll ich ihn frei lassen?«
»Moment mal, Junge. Pete hat keineswegs gesagt, du sollst ihn frei lassen. Erledige die Sache einfach, bevor der Wahlkampf losgeht. Teufel, alle, die was wert sind, haben ein paar Leichen im Keller. Wir wollen nur, dass du die deinen rausholst und anständig begräbst - Herr Präsident.«
Borgia atmet tief durch, um sich zu beruhigen, dann nickt er. »Ich verstehe, was Sie sagen wollen, meine Herren, und ich weiß Ihre Unterstützung zu schätzen. Ich glaube, ich weiß, was geschehen muss.«
Mabus streckt ihm die Hand entgegen. »Und wir wissen Sie zu schätzen, Herr Minister. Schließlich ist uns klar, dass Sie zu gegebener Zeit nicht vergessen werden, wer Ihre Freunde sind.«
Borgia schüttelt Mabus die schweißige Pranke.
AUS DEM TAGEBUCH VON JULIUS GABRIEL
Das Nazca-Plateau im Süden von Peru ist eine flache Wüste, fünfundsechzig Kilometer lang und zehn Kilometer breit. Es ist eine einsame, erbarmungslose Öde, eine von den Gebirgszügen der Anden eingeschlossene Welt des Todes. Abgesehen davon ist hier ein einzigartiges geologisches Phänomen zu beobachten, da der Boden von Nazca stark mit Gips, einem natürlichen Klebstoff, gesättigt ist. Der täglich von Morgentau befeuchtete Gips lässt die Eisen und Kieselerde enthaltenden Steine, die hier in großer Zahl zu finden sind, buchstäblich am Boden haften. Die dunklen Kiesel speichern die Sonnenhitze und lassen einen Schutzschild aus warmer Luft entstehen, der die Wirkung des Windes weitgehend aufhebt. Er macht aus der Hochebene außerdem einen der trockensten Orte der Erde. Hier fallen in zehn Jahren weniger als zweieinhalb Zentimeter Regen.
Ein Künstler, der sich in wirklich großen Formaten ausdrücken wollte, fände auf dem Nazca-Plateau die perfekte Leinwand, denn was hier gezeichnet wird, bleibt bestehen. Tatsächlich hat ein Pilot, der die Wüste 1947 überflog, als
erster Mensch der Neuzeit entdeckt, dass vor Jahrtausenden geheimnisvolle Zeichnungen und geometrische Linien in diese peruanische Landschaft geschnitten wurden.
Mehr als dreizehntausend Linien kreuzen die Wüste von Nazca. Einige dieser Markierungen erstrecken sich über eine Distanz von mehr als acht Kilometern. Obwohl sie über unwegsames Gelände verlaufen, bleiben sie erstaunlicherweise vollkommen gerade. Manche Autoren haben zwar behauptet, die Linien seien prähistorische Landebahnen für außerindische Astronauten, aber wir wissen inzwischen, dass sie astrologisch ausgerichtet sind. Sie markieren die Position der Wintersonnenwende, der Tagundnachtgleichen, des Sternbilds Orion und vielleicht anderer Konstellationen, die wir noch nicht kennen.
Noch seltsamer sind die Hunderte von Zeichnungen, die Tiere darstellen. Vom Boden aus gesehen, erscheinen die gewaltigen zoomorphen Bilder wie nach dem Zufallsprinzip entstandene Gräben. Geschaffen wurden diese Rinnen, indem man tonnenweise schwarze vulkanische Kiesel wegscharrte, um den gelbweißen Gips darunter hervortreten zu lassen. Betrachtet man sie aus der Vogelperspektive, erwachen die Zeichnungen von Nazca zum Leben. Eine einheitliche künstlerische Vision wird sichtbar, die gleichzeitig eine fantastische technische Leistung darstellt und die Jahrtausende unversehrt überstanden hat.
Die Kunst des Nazca-Plateaus istwährend zwei sehr unterschiedlicher Perioden entstanden. Auch wenn es unserer Vorstellung der Evolution widersprechen mag, sind die älteren Zeichnungen den jüngeren bei weitem überlegen. Zu ihren Motiven gehören ein Affe, eine Spinne, eine Pyramide und eine Schlange. Sie sind nicht nur unglaublich naturgetreu - die Figuren, meist größer als ein Fußballplatz, wurden alle mit einer durchgehenden, ununterbrochenen Linie gezeichnet.
Wer waren die geheimnisvollen Künstler, die diese Wüstenbilder schufen? Wie ist es ihnen gelungen, eine so fantastische
Leistung in einem so großen Maßstab zu verwirklichen? Und wichtiger noch: Was war ihre Motivation, die Figuren in den Fels zu scharren?
Es war im Sommer 1972, als Maria, Pierre und ich zum ersten Mal in dieser elenden südamerikanischen Wüste eintrafen. Damals hatten wir keinerlei lnteresse an den Zeichnungen. Wir wollten lediglich
Weitere Kostenlose Bücher