2012 - Schatten der Verdammnis
verlangsamt der Sikorsky sein Tempo und schwebt über einen weißen Strand, der sporadisch mit einer schwarzen, teerähnlichen Substanz bedeckt ist. Teile der befallenen Küste sind mit orangefarbenen Sperren abgeriegelt.
Der Hubschrauber folgt der verlassenen Küste nach Osten und nähert sich einer Reihe von Armeezelten mit dem Zeichen des Roten Kreuzes, die man an einem abgesperrten Strand aufgebaut hat. Fünfzig Meter von den Zelten entfernt brennt ein großes Feuer, dessen dicke, dunkelbraune Rauchsäule kilometerweit in den wolkenlosen Himmel reicht.
Der Sikorsky wird langsamer und landet auf einem abgesicherten Parkplatz in der Nähe der Zelte.
»Herr Vizepräsident, dieser Anzug müsste Ihnen passen.« Oberst Ruetenik reicht Chaney einen orangefarbenen Schutzanzug.
Chaney sieht, dass Disangro ebenfalls in einen Anzug schlüpft. »Moment mal. Setzen Sie sich ruhig wieder auf den Hintern, junger Freund, Sie bleiben hier. Das gilt auch für die Journalisten und die Sicherheitsleute.«
»Es ist meine Aufgabe, Ihnen beizustehen...«
»Stehen Sie mir bei, indem Sie hier bleiben.«
Zwanzig Minuten später klettert Chaney aus dem Hubschrauber, begleitet von Teperman und dem Oberst. Die drei Männer stecken in den unförmigen Schutzanzügen und tragen Luftflaschen auf dem Rücken.
Vor dem Hauptzelt werden sie von einem Arzt empfangen. Chaney bemerkt, dass eine grüne Flüssigkeit von seinem Schutzanzug tropft.
»Ich bin Dr. Juarez. Danke, dass Sie so rasch gekommen sind.«
Oberst Ruetenik stellt seine Begleiter vor.
»Ist das Zeug auf Ihrem Anzug die toxische Substanz?«, fragt Chaney und deutet auf die grüne Flüssigkeit.
»Nein, Sir. Das ist ein Desinfektionsmittel. Vergessen Sie nachher nicht, Ihren Anzug damit zu übergieβen, bevor Sie ihn ausziehen. Folgen Sie mir bitte, dann kann ich Ihnen die Substanz zeigen.«
Chaney fühlt, wie der Schweiß an seinem Gesicht herabrinnt, während er als letzter den Quarantänebereich betritt.
Unter den Planen des Lazarettzelts liegen auf Feldbetten Dutzende von Menschen. Die meisten tragen Badekleidung, alle sind mit schwarzen Flecken aus Blut und Erbrochenem bedeckt. Wer noch bei Bewusstsein ist, stöhnt qualvoll vor sich hin. In Schutzanzüge gehüllte
Arbeiter, die schwere Stiefel und Handschuhe aus Gummi tragen, schaffen Leichensäcke aus dem Zelt, während im selben Tempo neue Kranke hereingeschleppt werden.
Dr. Juarez schüttelt den Kopf. »Die Gegend hier hat sich in eine echte >heiße Zone< verwandelt. Am schlimmsten war es in den frühen Morgenstunden, als noch niemand wusste, wie ansteckend der Schlick ist. Um die Mittagszeit hatten wir alle Strände abgeriegelt, aber die ersten Ärzte und Helfer, die gekommen sind, haben sich angesteckt und alles nur verschlimmert. Inzwischen beschränken wir uns darauf, die Opfer zu identifizieren und dann die Leichen zu verbrennen, um die Ausbreitung zu verlangsamen.«
Sie betreten das nächste Zelt. Eine hübsche Schwester in einem Schutzanzug sitzt neben einem Feldbett und hält die Hand eines etwa vierzigjährigen US-Amerikaners in ihren von Handschuhen geschützten Händen.
Dr. Juarez gibt der Schwester einen zärtlichen Klaps auf die Schulter. »Na, wen haben wir da?«
»Das ist Mr. Ellis, ein Künstler aus Kalifornien.«
»Mr. Ellis, können Sie mich verstehen?«
Der Kranke liegt auf dem Rücken und starrt mit weit offenen Augen ins Leere.
Ennis Chaney durchläuft ein Schauder. Die Augäpfel des Mannes sind vollständig schwarz.
Der Oberst zieht den Arzt beiseite. »Wie breitet die Infektion sich aus?«
»Durch Körperkontakt mit der schwarzen Flut oder mit dem Auswurf eines anderen Infizierten. Auf irgendwelche Keime in der Luft scheint nichts hinzudeuten.«
»Marvin, geben Sie mir bitte das Diktiergerät und halten Sie die Hutschachtel bereit.« Der Oberst nimmt Teperman das Gerät aus der Hand und beginnt hineinzusprechen, während er Dr. Juarez bei seiner Untersuchung assistiert.
»Patient scheint mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger
der rechten Hand in Berührung mit der teerähnlichen Substanz gekommen zu sein. An allen drei Gliedma-βen ist das Fleisch bis auf den Knochen versengt. Die Augäpfel sind starr, sie bluten und sind vollständig schwarz geworden. Patient befindet sich in einem Zustand der Erstarrung. Schwester, wie lange ist es her, seit Mr. Ellis in Kontakt mit der schwarzen Flut gekommen ist?«
»Keine Ahnung, Sir. Vielleicht zwei Stunden.«
Teperman beugt sich zu Chaney.
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