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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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zu den Knospen und hinunter zu den Wurzeln des Großen Baumes mit den Vierhundert mal Vierhundert Ästen. Doch auf dem Spielfeld lief die Hüftballzeit natürlich weiter, und ehe das Echo auch nur den zweiten Ruferkreis außerhalb des Platzdistrikts erreicht hatte, flog der Ball wieder und traf den Zielpfosten der Harpyien. Der Kantor rief: »T’un!« , was das Geräusch imitierte, mit dem der Ball auf den hohlen Pfosten traf, zugleich aber auch das Wort für »Punkt« war.
    Die Schiedsrichter gaben das Zeichen, dass das Tor gültig sei. Ein lautes, fauchendes Zischen stieg von den Ozelots und ihren Anhängern auf, das Äquivalent zu Applaus, und kämpfte gegen die Flut aus stampfenden Füßen auf der Harpyien-Seite, das Maya-Gegenstück zu Buhrufen.
    »T’un Bolom, Hun-chen Bolomob’« , sang der Kantor, und das heißt:
    »Tor, Ozelot, eins-null, Ozelots.«
    Die Ruferkreise wiederholten die Entscheidung: »T’un Bolom, Hun-chen Bolomob’.«
    Am Ziel zogen sich die Spieler hinter ihre Endzonenlinien zurück. Zwei Unberührbare rannten herein und fingen gemeinsam den Ball mit behandschuhten Fingern. Einer von ihnen stellte sich mit dem Ball auf die Zentralmarkierung, während der andere ihn reinigte, indem er ihn mit Blutasche einstaubte, die er in einem Beutel bei sich trug. Waren die Unsichtbaren so etwas wie Bühnenarbeiter, entsprachen die Unberührbaren eher den Balljungen. Da sie die Feldoberfläche berührten und das Blut und die Toten und vor allem den Ball, waren sie unwiderruflich unrein.
    »Li’skuba Ka’ah.« Fertig für Ball Zwei. Ich bekam allmählich ein Gefühl wie ein Rennpferd am Start: Wenn ich nicht bald aufs Feld kam,würde ich platzen. Der erste Unsichtbare drehte sich nach Westen, warf den Ball im Tiefaufschlag in die Luft und landete ihn professionell auf der hinteren smaragdgrünen Markierung der Ozelots.
    »Chun!« , rief der Kantor wieder. Smaragd-Sturmschritt übernahm erneut die Spitze und schlug den Ball mit dem Joch hoch, brachte ihn unter Kontrolle – »Bok«  – und ließ ihn sanft von seiner Schulterpolsterung abrollen.
    »P’uchik« , rief der Sänger. Das Wort bezeichnete einen Körpertreffer und imitierte zugleich das Geräusch, mit dem der Ball auf Fleisch traf und sich von der eingeölten Haut löste. 2-Smaragd-Brüllaffe, der andere Ozelot-Stürmer, fing den Pass mit der Seite seines Jochs – »Bok«  – und schlug ihn nach rechts vorne, wo er von der Rampe zurückgeworfen wurde wie im altmodischen Jeu de Paume, dem Vorläufer des Tennis.
    »Pak« , rief der Kantor, den knappen satten Laut imitierend. Es war außerdem das Wort für Mauer. Smaragd-Sturmschritt war bereits das Feld hinuntergerannt und positionierte sich unter den fallenden Ball, um aufs Ziel zu schießen. Das Lärmen der Menge ließ zu fast völliger Stille nach; man hörte nur noch die geträllerte Spielberichterstattung, das Grunzen der Spieler und das Quietschen und Knarren ihrer Sandalen. Den Zuschauern war das Reden keineswegs verboten, aber das Ballspiel nahm sie völlig gefangen, selbst wenn sie nichts sehen konnten. Die Menge war so gebannt, dass sie den Mund hielt und die Spannung sich immer weiter aufbauen ließ, bis sie sich beim Ende eines nervenaufreibenden Spielzugs, bei einem Tor oder einem Todesfall als brausender Applaus entlud.
    5-5 holte rasch auf und blockierte Smaragd-Sturmschritts Schuss, wich jedoch zurück und machte einen Schulterpass von der Mauer auf Brüllaffe – »P’uchik pak«  –, der den Ball gekonnt aufnahm und in die Unterseite des Tores schleuderte: »Bok … t’un!«
    »T’un Bolom« , rief der Punkteaddierer, »Ka’ah-chen Bolomob’. «
    »Tor, Ozelot, zwei-null, Ozelots.«
    Pfeifen stieg von der Menge auf. Der leitende Unsichtbare legte den dritten Ball vor. Sturmschritt bekam ihn erneut und versuchte das gleiche Rennen-und-Finten-Manöver mit anschließendem Rückpass zu 2-Brüllaffe, doch diesmal war Hun Xoc zur Stelle und fing den Ball ab. Er fischte ihn mit seiner Handkelle aus der Luft und schleuderte ihn zu 3-Roter-Schnabel nach Süden. Das war ein typischer Zug der Harpyien-Schule. Auf den meisten Plätzen wurde das Spiel ähnlich wie der heutige Fußball gespielt, sodass man den Ball nicht mit den Händen berühren durfte. Die ixianischen Regeln wichen jedoch leicht ab; wir trugen jeder eine hölzerne, in Eidechsenhaut gewickelte Ballkelle an der Unterseite unserer Handgelenke, die bis zu den Handflächen reichte, und damit durfte man den Ball

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