2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

und Buchmacher im Publikum bereits die Finger hoch und setzten neun zu zwei gegen die Harpyien, was sogar meiner Meinung nach ein bisschen überzogen war. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, selbst eine Wette abzuschließen, aber ich sagte mir, dass es unwichtig sei. Der Magister Ludi war fast fertig, als 2-Juwelenbesetzter-Schädels Herold seine Trommel schlug. Der Magister übergab das Wort an ihn.
    Der Herold sagte, dass die Harpyien beantragten, den Einsatz zu erhöhen, indem sie 1-Harpyie böten. Damit meinte er ihre erste Mul mitsamt Tempel, mithin also die Unterstützung, die Familienmitgliedschaft, die Treue, die Dienste, oder wie immer Sie es nennen möchten, von 1-Harpyie persönlich, dem Sippengründer, der seinen Nachfahren im Laufe der letzten 958 Sonnenjahre so großen Reichtum eingebracht hatte; im Grunde also alles einschließlich des Namens.
    Das Nebenwetten hörte sofort auf. In der plötzlichen Stille waren gemurmelte Bemerkungen zu hören. Vier Krähen stießen weit im Osten einen Warnruf aus.
    Die Ozelots brauchten eine Weile für ihre Antwort. Schließlich erklärte ihr Rufer, er gehe auf die Wette ein. Aber er setzte nicht die Mul der Ozelots und ihren Gründer; vielmehr bot er 1-Schädel und dessen Tempel.
    Wieder verging Zeit in erwartungsvollem Schweigen. Ich konnte 2-Juwelenbesetzter-Schädel nicht sehen, aber er beriet sich wahrscheinlich mit den hauseigenen Buchmachern. Schließlich nahm er das Angebot an.
    Die Nebenwetten stiegen auf sieben zu vier, und es gab eine Flut völlig neuer, sogenannter »Heldenwetten« auf die Spieldauer und die Leistungen einzelner Spieler. Ich bekam das Gefühl, dass mehr als die Hälfte der städtischen Jahreseinnahmen aufgrund eines einzigen Matchs neu verteilt wurden.
    Zwei Paare Unberührbare betraten den Graben. Jeder hob mittels einer langen Zange einen zylindrischen Topf mit rundem Boden, gefüllt mit gepulvertem Pigment, und stellte ihn auf die obere Kopfplatte jedes quadratischen Torpfostens.
    Hüftball hatte einige komplizierte Regeln und Vorschriften, aber grundsätzlich war ein Treffer gegen das zentrale Tor der anderen Seite als ein Punkt zu werten. Ein Ball, der über den Pflock hinwegging und den Krug entweder zerbrach oder Pigment hinausschleuderte, brachte vier Punkte. Auf diesem Platz – wie auf allen anderen, die ichin alter Zeit gesehen hatte – gab es keine Ringtore; sie wurden erst berühmt durch das viel jüngere Spielfeld von Chichén Itzá, das im 20. Jahrhundert zum Touristenmagneten wurde und James Naismith zur Erfindung des Basketballs inspiriert haben soll. Manchmal übten die Spieler, indem sie den Ball durch einen großen Reifen trieben, der über den Boden gerollt wurde, aber die Benutzung von Ringen im eigentlichen Hüftball muss erst später aufgekommen sein.
    Wie auch immer, die erste Mannschaft, die einundzwanzig Punkte erreichte, hatte gewonnen, wie beim Blackjack, aber man musste mit zwei Punkten Vorsprung siegen, wie beim Tennis, und genau wie beim Tennis konnte es immer wieder zum Einstand kommen.
    Die Seiten wurden nicht gewechselt. Jedes Team hatte zwei Ersatzspieler; wenn mehr als zwei Spieler aus dem Spiel gekickt wurden, spielte man eben bis zum letzten Mann.
    DOOOONG !
    Ein Zweiergespann Träger brachte den weiß umhüllten Ball. Sie hielten das schwere Bündel mit großen Kellen aus Holz und banden es an eine herabhängende Leine. Ein Schiedsrichter inspizierte den Knoten und gab ein Zeichen; der Ball wurde hochgehievt und hing über der zentralen Steinmarkierung.
    »Nun eins, zwei, vier, fünf, sieben, neun, dreizehn«, intonierte der Magister Ludi und wechselte vom Imperativ zweite Person Plural zum apostrophierenden Fall, den man nur benutzte, wenn man zu Göttern sprach.
    »Nun zwanzig, zweiundfünfzig, zweihundertsechzig,
    O Nacht, o Wind, o Tag, o Regen, o Null,
    Jetzt, Gäste, sehet 2-Baumläufers blutgewaschenes Haupt.«
    2-Baumläufer war der größte ixianische Hüftballspieler gewesen, an den man sich erinnern konnte. Vor neununddreißig Sonnenjahren hatte er sich nach einer Fußgelenkverletzung selbst geopfert. Der Ball bestand aus weißem Gummi, der in vielen Windungen um 2-Baumläufers Schädel als hohlem Zentrum – zur Verbesserung der Sprungeigenschaften – gewickelt war. Man hatte ihn schwarz gebackenund mit bemalten, nagelgroßen Dornen besetzt. Zuletzt war der Ball mit zwei Arten Blut gereinigt und dann in Quellwasser gewaschen worden, das auf den Opferfeuern der Häuser der