2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
um keinen Kontaktsport, jedenfalls in der Theorie.
Hun Xoc trieb den Ball die Rampe des Norddamms hinauf: »Bok, pak, bok, pak.« Plötzlich legte er einen Weitschuss hin wie ein Dreipunktewurf beim Basketball und sandte den großen schwarzen Planeten säuberlich zwischen die Baatob’ der Ozelot-Zuschauer. Obwohl der Ball den Zielpfosten zu verfehlen schien, berührte er doch den zerbrechlichen Krug mit gefärbtem Marmorpulver. Der Krug schwankte und fiel zu Boden, wobei er eine smaragdgrüne Rauchfahne hinter sich herzog.
»Waak’al, waak’al« , rief der Sänger. Das Wort hieß »Explosion«, also ein Großtor. Die Harpyien-Anhänger stießen begeistert das Jubelfauchen aus, das für die großen Punktgewinne reserviert war. Ich meine damit nicht das dämliche Trillern, zu dem man in den mexikanischen Tequila-Bars in den USA animiert wurde; es klang mehr nach zehntausend Krähen in Panik. Das Füßestampfen ging willkommenerweise auf die Ozelot-Seite über.
»Großtor, Harpyie! Zwei Tore, Ozelots,
Vier Tore, Harpyien!«, rief der Kantor.
Vielleicht klappt es ja doch, dachte ich. Die Unsichtbaren huschten herein, um sauberzumachen und den Krug zu ersetzen. Der Magister ließ den Handspiegel blitzen, und der vierte Ball fiel. 3-Schnabel bekam ihn und schoss. Daneben. Sturmschritt fing den Ball ab, dribbelte zweimal gegen die Südmauer – »Bok pak bok pak « – und schoss. »BOK.«
Fehlschuss. Zu hoch. Ich hätte den geschafft. Verdammt, lasst mich auf den Platz! Der Ball setzte im Bogen über die Tribünen, und ein Harpyien-Zuschauer lenkte ihn, wie es Brauch war, zurück aufs Feld.
Aber da stimmte etwas nicht: Der Kerl auf den Harpyien-Tribünen hätte den Ball zu uns lenken müssen, doch er schlug ihn in die falsche Richtung, zurück zu den Ozelots. Sturmschritt nahm gemächlich wieder Aufstellung, fing den Ball ab und schoss erneut.
»Großtor, Ozelot! Sechs Tore, Ozelots,
Und vier Tore, Harpyien.«
Auf der Harpyien-Seite steigerte sich das »Buhen« zu Rufen von: »Keechtikob, keechtikob, keechtikob!« – »Spione, Spione, Spione!« Wer immer den Ball in die falsche Richtung geschlagen hatte, bekam jetzt eine hübsche Abreibung. Er konnte noch so sehr beteuern, er habe nur einen Fehler begangen, man würde ihm auf keinen Fall glauben, dass er nicht zu den Ozelots übergelaufen war.
Trotzdem, der Trick würde kein zweites Mal funktionieren.
Beim nächsten Aufschlag bekam Hun Xoc den Ball, aber Sturmschritt und Brüllaffe stürmten so schnell auf ihn zu, dass er den Ball an 5-5 abgab. Der Pass ging zu weit, und 5-5 konnte nicht annehmen. Der Ball traf den roten Damm, sprang über unsere Zone in den Graben und war so gut wie aus. 5-5 lehnte sich vor, um ihn noch zu retten, und bekam ihn wieder in die Luft, verlor aber das Gleichgewicht und fiel auf das Weiße außerhalb der Harpyien-Zone, wodurch die Ozelots einen Punkt erhielten, ohne dass sie ein Tor geschossen hatten. Der Schiedsrichter gab das Zeichen, und der Kantor begann, den neuen Spielstand auszusingen …
»Tor, Ozelot! Sieben Tore, Ozelots,
Und vier …«
Doch ehe er fertig war, schnitt ihm das Schiefertafel-Kratz-Geräusch das Wort ab, mit dem geölte Haut über die lehmige Platzoberflächescharrte, gefolgt von einem Knochenknacken, als Smaragd-Sturmschritts Joch gegen 5-5s Oberkörper krachte. Ehe ich etwas sehen konnte, rangelten beide Mannschaften über den beiden, und die Treiber trennten sie. Smaragd-Sturmschritt hatte es wie einen Unfall aussehen lassen, aber natürlich war er gezielt auf 5-5 losgestürmt und hatte ihn niedergerissen, kaum dass 5-5 nicht mehr in der roten Zone war.
Die Kontrahenten trennten sich. 5-5 schleppte sich am roten Damm entlang und hinterließ eine dunkle, zähflüssige, irgendwie gallenfarbige Spur. Die Trommler hatten Kampflärm nachgeahmt; jetzt imitierten sie mit Maracas und gekerbten Stecken das Geräusch, mit dem Blut aus einer Arterie sprudelt und auf den Boden klatscht.
Das Aberwitzige daran war, dass die Berührung eines gegnerischen Spielers nicht als Foul galt, solange es sich um keinen eindeutigen Angriff handelte. Und natürlich bewerteten die Schiedsrichter den Zusammenprall nicht als Foul. Der Hüftballer, der den gegnerischen Spieler verletzt hatte, musste alle möglichen Entschuldigungen äußern oder sich dem Kampf stellen. In höhnischem Ton spulte Smaragd-Sturmschritt bereits seine mea culpa ab. 5-5 wollte etwas erwidern, doch als ihm klar wurde, dass man ihn nicht verstehen
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