2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
den Tisch zu den beiden, war aber zu schlapp und das Stachelschwein zu schnell. Er hatte bereits über den Rand des Heiligtums gesetzt und rollte sich, Koh mit Armen und Beinen umschlungen, die Treppe hinunter. Ich sprang ihnen nach, aber mein Ahab-Bein glitt unter mir weg, und ich rutschte einem Wächter in die Arme. Dienerinnen hetzten unter mir die Stufen hinunter, und einen Schlag lang dachte ich, Koh wäre den ganzen Weg hinuntergerollt, doch als ich ihnen zuschrie, mich nach unten zu bringen, nach UNTEN !!!, hattesich Stachelschwein auf der zehnten Stufe unter uns aufgerichtet, von einem Ball aus mit Seilen gesicherten Gardisten gefangen, und in dem Knoten sah ich einen Zipfel von Kohs Gewand. Ich konnte durch die Sturzbäche aus Blut, die in meinen Ohren kochten, nichts mehr hören, aber der Wächter brachte mich zu ihnen hinunter. Beinahe schlitterte ich in den Haufen hinein, von zwei angebundenen Gardisten gehalten, während weitere Dienerinnen Koh hinunterrollten und Blutflecke auf den weißen Stufen hinterließen. Einige ihrer anderen Frauen husteten und würgten, als säßen ihnen Steine im Hals. Ich bekam Kohs zerdrückten spröden Kopfputz in die Hände und warf ihn beiseite.
Einen Schlag lang dachte ich, die Dienerinnen hätten ihre Gesichtsbemalung verschmiert, weil die weißen Stellen ihrer Haut einen Purpurton angenommen hatten, bei dem ich nicht glauben konnte, dass er echt war. Unter ihr lagen die drei Geblüte, die 0-Stachelschwein gefangen hatten, mit ausgebreiteten Gliedern am Rand der Plattform. Sie keuchten und würgten. Ein anderer hatte Stachelschwein das Kostüm heruntergerissen und versuchte ihm die ewige Frage zu stellen, wer ihn geschickt habe, doch die bräunliche Haut des Clowns wurde bereits blaubeerschwarz, und aus seiner zerfetzten Unterwäsche schaute eine gewaltige kastanienbraune Erektion hervor. Seine Brust war mit Holzstäbchen gespickt.
Ich nahm Kohs Kopf in meine Hände. Sie zeigte eine überraschte, angewiderte Miene und sagte: »Du …«
»Alles wird gut«, sagte ich auf Englisch, ohne nachzudenken. »Du kommst wieder ganz in Ordnung.«
Sie gab keine Antwort. Schaumiger Rotz lief ihr aus Nase und Mund, und ihre offenen Augen wirkten wie mit mattem Klarlack versiegelt. In ihrem Gesicht und ihrer Brust steckten kleine Hölzchen, und ich zog eines davon aus der Unterseite ihres Kinns. Dann erst sah ich, dass es gar kein Hölzchen war, sondern der glatte, getigerte Stachel eines Skorpionfischs. Sein Nervengift tötet durch Erstickung. Die Stacheln waren in 0-Stachelschweins Kostüm eingewoben, unter die eingeölten schwarzen Federkiele gemischt, die die Borsten darstellten; als er Koh umarmt hatte, waren mehrere Stacheln auch ihm ins Fleisch gedrungen.
»Gebt ihr sofort zu trinken!«, rief ich auf Ch’olan. Ich brachte meine Hände an Kohs Hinterkopf und blies ihr Luft in den Mund, doch er war voller Schleim. Ich drehte sie um und versuchte ein Heimlich-Manöver, doch sie reagierte nicht, war völlig schlaff. Ich verpasste ihr Ohrfeigen, aber selbst das bewirkte nichts. Hör auf zu träumen, dachte ich, die halbe Dosis ist schon tödlich. Ich schrie, dass mir jemand helfen sollte, ihr die verdammten Stacheln herauszuziehen, aber die anderen wussten nicht, was ich von ihnen wollte, weil ich schon wieder ins Englische verfallen war. Außerdem hatten sie Angst, Koh zu berühren, weil es ihnen nicht gestattet war. Alligator-Wurzel kam zu mir, und gemeinsam zupften wir die Stacheln heraus. Jede einzelne hinterließ einen Fleck aus dickflüssig wirkendem Blut. Eine Dienerin hatte einen Topf Wasser gebracht, und wir versuchten, es Koh einzuflößen, aber sie schluckte nicht. Ich ließ ein Kürbisklistier bringen. Damit zwangen wir Wasser ihre Kehle hinunter, aber sie schluckte immer noch nicht. Ich brüllte Alligator-Wurzel an, es müsse ein Gegengift geben; er solle losrennen und die Ärzte holen. Aber es gab kein Gegengift. Und wenn sie sich hier mit einer Sache wirklich auskannten, waren es Gifte.
Ich setzte mich rittlings auf Koh und versuchte eine Herzmassage. Ich drückte so fest, dass ihre Rippen brachen, als hätte ich vergessen, was ich in No Ways Überlebenshandbüchern gelesen hatte. Ich rollte von der Stufe und wäre beinahe auf die anderen gefallen. Es war, als wären wir am steilen Hang eines vereisten Berges, wo es kaum Reibung gab, die uns an Ort und Stelle hielt, und einen Schlag lang drohte die Traube aus Gardisten und Dienerinnen den Halt zu verlieren und
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