2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
die Sägestufen hinunterzurollen, doch ein Geblüt trat zu mir und band mich mit einem Schal an einem Opferseil fest – er wollte nicht, dass das Seil mich berührte. Ich regte mich so sehr darüber auf, dass er an mir herumfuhrwerkte, statt etwas für Koh zu tun, dass ich ihm den Ellbogen ins Gesicht rammte, sodass er die Klingenstufen hinunterstürzte. Was bin ich für ein Arschloch, dachte ich. Ich nahm den Klistierkürbis und spritzte Koh Wasser ins Gesicht. Keine Reaktion. Ich packte ihre aufgedunsene blaue Zunge und zog daran. Nichts. Okay, noch war es nicht zu spät. Wunderwirker, richtig?
Der Brunnen, dachte ich. Wir gehen zur Großen Zisterne.
Nein. Wie kalt ist es da drin, fünfzehn Grad? Das reicht lange nicht.
Der See in den Höhlen. Wie kalt? Acht Grad, zehn Grad?
Unterkühlungstemperatur. Aber nicht Hirnkonservierungstemperatur.
Das Gel.
SCHAFF SIE SOFORT INS GEL !, schrie es in mir. Ich versuchte es auf Ch’olan auszudrücken, aber dafür war es schon zu spät. Selbst wenn ich Koh nach unten schaffen konnte, würde es Stunden dauern, das Zeug anzurühren.
Die Luft ist hier zu warm. Komm schon, schaff sie runter. Zwei Minuten, drei höchstens. Sonst ist ihr Gehirn unwiderruflicher Dummheit verfallen.
Ich brüllte den Dienern zu, sie sollten uns hinunterschaffen. Sie hielten mich, als sie auf ihren geschundenen Leibern fast die Stufen hinunterrutschten.
Gesteh es dir ein, du bist am Arsch, dachte ich. Ich weinte, was in diesem Zusammenhang ziemlich albern war. Ich weinte wahrscheinlich vor allem darum, was für ein verdammter Versager ich war, bin und sein werde. Koh war die Größte, und du bist das Unterletzte. Einen Schlag schneller, und du hättest es verhindert. Wir erreichten den Boden in einem See aus Blut und keuchenden Leibern. Ich zog Alligator-Wurzels Ohr vor meinen Mund.
»Wir müssen sofort in die Ozelot-Höhlen«, sagte ich.
Sie hoben mich hoch und wickelten Koh in ein Tuch. Die Geblüte teilten die Menge vor uns, indem sie die Kriegsflegel knallen ließen und die Kazoos bliesen, und die Leute machten Platz. Als wir an der Treppe ankamen, die zum Bergpfad hinter der Ozelot-Mul führte, war mir klar, dass seit dem Attentat zehn Minuten verstrichen waren, und dann dauerte es noch einmal zehn Minuten, um zum ersten Bergschrein zu gelangen, von wo man in die Höhlen absteigen konnte. Das war viel zu spät. Das Gehirn stirbt nach zwei Minuten.
Du solltest ihr wichtigster Leibwächter sein, dachte ich. Du warst immerhin ihr Ehemann, du kleiner Scheißer. Du hältst dich für einentollen Hecht? Du sitzt auf einem großen stinkenden Haufen mit einem toten Mädchen in den Armen und ohne …
Schnee? Ich hätte sie in Schnee legen können. Ich hätte jederzeit eine riesige Wanne mit Schnee bereithalten lassen sollen. Ein paar Hundertschaften Läufer, die rund um die Uhr arbeiten, damit das Ding immer schön voll ist, mehr wäre nicht nötig gewesen, um Koh zu retten. Um sie mit zurückzunehmen.
Hirn verwest. Tot, tot, tot, meine Lords und Gentlemen.
»Sendet vierzig Läufertrupps aus«, befahl ich. »Sie gehen zum Eisigen Berg und holen hundertmal vierhundert Beutel mit Schnee.«
Alligator-Wurzel sah mich an. Ich sah ihn an. Er bewegte sich nicht. Ich senkte den Blick.
Sinnlos. Zum Eisigen Berg brauchte man vier Tage.
(63)
»Wir trugen eine Bürde«, sagte ich. »Dein letzter Akt
Auf der nullten Ebene kann sein, sie zu ehren.«
2-Juwelenbesetzter-Schädel antwortete nicht. Ich starrte in eines seiner verdrehten Augen. Seine Lider waren in geöffnetem Zustand festgenäht, damit er sie nicht mehr schließen konnte. Er tat nicht einmal so, als blende er mich aus; er wollte, dass ich sah, wie verdammt ungebeugt er noch war. In den zweieinhalb Tagen seit Frau Kohs Tod hatte er sich mehrmals in Trance zu versetzen versucht, doch das war vom Necker unterbunden worden, indem er ihm Adrenaldrüsen von Pekaris in den Schlund stopfte.
»Sag mir, was es ist«, forderte ich 2 JS wieder einmal auf. Ich glaubte zu sehen, wie in seinem einen Auge Überheblichkeit aufflammte, und wider Willen dachte ich an Koh und verlor einen Schlag lang die Beherrschung. Mit beiden Händen prügelte ich auf seine Ohren und seine Nase ein. Rosafarbenes, von Lymphe verdicktes Blut schoss ihm aus den Tränendrüsen. Ich nehme an, von dem Zeug hat man wirklich viel im Kopf. Jedenfalls bemerkte er diesen gewöhnlichen Schmerz an diesem Punkt kaum noch, und nach einem Schlag trat ich zurück und setzte mich auf
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