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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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trafen mit Verzögerung ein.
    Offenbar war die Höhle um ein Vielfaches größer, als ich für möglich gehalten hatte. Wir warteten, bis alles wieder aufgestellt war; dann gab ich ein Zeichen. Das Klagelied kam zur letzten Strophe und verstummte. Irgendwann verhallten auch die Echos. Ich gab ein weiteres Zeichen, worauf die Träger die Fackeln mit dem Kopf in den Sand steckten, sodass sie erloschen. Mehr künstliches Licht in die Hallen der Nacht zu werfen, als man unbedingt musste, hätte uns in Schwierigkeiten bringen können. Zuerst war die Finsternis undurchdringlich, doch wir warteten, und schließlich konnten wir wenigstens unsere Umrisse in der grünen Chemolumineszenz erkennen, die von den Wänden schwitzte.
    Maske trat neben mich und führte mich ein langes, sanftes Gefälle hinunter. Mein Fuß ertastete sich seinen Weg über die Furchen, und mein Schlangenbein stapfte mit. So wanden wir uns durch die Enge und Weite spiraliger Alabasterwände. Nach den Geräuschen unserer Schritte zu urteilen wurden die Abstände zwischen ihnen immer größer, als folgten wir der Luftröhre einer Nautilus pompilius . Errichte mir mehr vornehme Sitze, o meine Seele.
    Schließlich zwängten wir uns in eine dunkle Kluft in dem Leuchten und weiter in eine tiefe, jedes Geräusch erstickende Höhle mit einer gewölbten Decke, die wie ein schwarzes Stadium wirkte und größer war, als ich mir eine Höhle je hätte träumen lassen. Die Furchen verschwanden unter rauem Sand, aber Maske lenkte mich weiter voran und nach unten, auf einen schwachen Nebel aus klaren Lichtnadeln zu, die sich nicht bewegten, sich aber dennoch irgendwie vom Stein unterschieden und sich schließlich als Spiegelungen auf Flüssigkeit entpuppten. Maske führte mich an der Hand zu einem baumförmigen Schatten, und als ich den mit glatten Muscheln besetzten Stein berührte, hielt die Prozession an.
    Die Phosphoreszenz war hier schwächer, aber schließlich konnte mein Auge uralte Opfergaben erkennen, ein Flechtwerk aus Arm- und Beinknochen, das auf dem grauen Kies ausgebreitet lag. Menschenknochen waren mit Alligatoren und Boas mit Affenköpfen verbunden, denen Frösche aus den Ohren schauten und die stachelige Rosetten aus Kugelfischen und Kegelschnecken bildeten.



(71)
    Maske reichte mir einen Hüftball aus Grünstein. Ich schoss ihn mit der Hüfte ab, und er schlug gegen die Säule. Die Funken tauchten alles in Weltraumlicht – für eine kürzere Zeitspanne, als ein elektronischer Kamerablitz dauert, aber doch lange genug, dass ich ein bisschen von fast allem sehen konnte: die Kante des großen weißen phallischen Stalagmitenbosses, der sich erhob wie eine natürliche Stele; Hun Xocs feuchtes, erschrockenes Gesicht sowie Schnüre und Knoten entwässerter Opfergaben, die über knollige Felsen gelegt waren, darunter das schier endlose Skelett einer bebeinten Schlange, das sich in Verwehungen aus Schildkröten und Barrakudas verlor. Die Knochen wurden immer älter und kalkiger, bis ich begriff, dass nicht alles Opfergaben waren, sondern dass wir auf einem Bett aus fossilen Meereslebewesen standen und der Kies unter meinen Füßen aus winzigen Bruchstücken von Seelilien und Seeanemonen, Haarsternen und Haifischzähnen bestand, die vor Jahrmillionen versteinert waren.
    Ich blickte das lange Gefälle vor uns hinunter, wo die Fossilien in feinen Mondsand übergingen, und dann in den wellenlosen Strand und den stillen schwarzen See. Dahinter sah ich das Nichts: keine Höhlenwände, keinen Horizont, nur eine Art Schleier aus dunkler Materie, Grafitstaub, der einen alten Heliumstern einhüllte. Der Schall hinkte dem Licht hinterher, und als ich ihn hörte, war das Geräusch nicht schrill wie von Glas auf Stein, sondern ein tiefes D, das durch unsere Füße vibrierte, in unsere Köpfe kroch, in die hohlen Stimmen verschmolzener Quarzbrocken überging und einen Hall besaß, als käme es aus einem Vibrafon von der Größe eines Blauwals.
    Ich schlug erneut, diesmal viel stärker. Beinahe machte ich einen Satz; es war, als hätte ich einen Schiffscontainer voll Bleierz in ein Wasserfass von der Größe eines Getreidesilos geschüttet, aber ich rissmich zusammen und beendete das Ganze mit zwei weiteren Schlägen weiter unten. Ganz wie Maske behauptet hatte, kam die Melodie heraus, dieses fragende Thema ohne Antwort. Bisher. Es war, als wäre die Steinorgel von Natur aus in einer Fünftonskala gestimmt. Ich zitterte leicht. Egal, was ich mir immer wieder sagte, ich

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