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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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meinem Kopf, aber ich dachte ja auch mit meinen Ohren. Ich rauchte die Zigarre zu Ende und fächelte das letzte Rauchfähnchen über das Wasser. Ich nahm eine Jadekugel aus meiner Opfertasche und steckte sie mir in den Mund. Schließlich erstarb die Wärme der toten Körper hinter mir und der Kohlen in meinem Feuerbeutel, und ich saß mutterseelenallein in der unermesslichen phosphorblauen Leere. Ich spürte, wie tektonische Platten sich über den Rücken der Erdkrötin schoben wie muschelbewachsener Schorf auf einem Buckelwal, und ich lauschte, wie sie ihre eigenen Ausscheidungen schluckte und Pilzpusteln zu Öl zermahlte und in Alkohole und Basen und stinkende Methanwolken umwandelte, und wie sie vier Milliarden unterschiedliche Nahrungsketten und Zyklen von Geburt und Verfall miteinander verband, nur um ihre Ernährung ein wenig zu variieren. Erneut ertappte ich mich bei dem Gedanken, ich wäre selbst eine Kröte. Die Vorstellung hatte etwas an sich, als wäre sie eine vererbte Erinnerung. Auf jeden Fall handelte es sich um ein grundsätzliches Verständnis des Krötentums.
    Ich wartete, bis meine Ungeduld sich in ihr Gegenteil umkehrte; ich wartete Sonnen und Nächte und Wochen und B’ak’tunob’ und Äonen, bis ich wusste, dass ich nichts war, nur eine Wahnvorstellung, die durchs All trieb, und gerade als ich glaubte, die Bedeutung der Ewigkeit zu begreifen, roch ich etwas Unangenehmes. Der Geruch wuchs zu einem Sinneseindruck, einem schwarz-orangefarbenen BLEIB WEG , einem Warngestank von Fäulnis, die jeden Wundbrandübertraf. Es war ein Odem, den nur ein mit einem Riesenschnabel bewaffneter, aasfressender und flugunfähiger Gastornis aus seinen armlangen gewundenen Nüstern hätte ausatmen können, während er über eine Hügelkette gerannt kommt und auf einen Kreosotsumpf hinunterblickt, der angefüllt ist mit den Kadavern gewaltiger Seeschweine, die vor Jahren ertrunken und bis heute nicht an die Oberfläche gekommen sind. Ich kniff die Augen noch fester zu, aber ich schmeckte mit den tanzenden Ringen auf meiner Netzhaut bereits die ganze Bandbreite der Blasen, die von dem schwarzen See aus schillerndem Öl aufstiegen, und als ich mich selbst zu ersticken drohte, hörte ich das Geräusch von Rudern und bemerkte auf dem Hämatitsee einen langen schmalen Umriss, der sich unter der Nebelschicht näherte.



(72)
    In der schwarzen Schale saßen neun Ruderer. Im Bug erkannte ich Rochenstachel an seinem einäugigen silbernen Geiergesicht und der Lanzette in seinem Schnabel wie auf seiner Porträthieroglyphe. Daneben sah ich Blutige-Klauen – ein Buckliger mit Dachskrallen, dem Gras aus dem Rücken wuchs wie bei einer Chia-Figur – und den berühmten Pustel, ein aufgedunsener Leichnam mit großen, schwarz dampfenden Eieraugen, dazu Krätze, dem das Fleisch in Streifen über die Karbunkel flatterte. Blutige-Zähne saß auf der Ruderbank, blinzelte und schnüffelte mit seinem verkniffenen plattnasigen Gesicht, und dann erkannte ich Schrumpel, in Mesoamerika besonders als Geißel der Tieflandwälder bekannt, von Spinnen ausgesaugt und verdorrt. Eiterbeule saß im Heck, bedeckt von Trauben aus tumorösen Geschwüren; außerdem sah ich dort Fistel, aber nicht als den körperlosen Kopf, als der er normalerweise in den Codices dargestellt wird, sondern als hohe Gestalt mit dem tentakelbewehrten Gesicht eines sternnasigen Maulwurfs. Zuletzt entdeckte ich den alten Steuermann, Reißzahn-Kaninchen, an der Ruderpinne, viel klarer zu erkennen als sein Profil auf dem Mond. Es war die komplette berüchtigte Gang, für unserer Niederwelt BusenFeinde machen Zähne und Nägel Überstunden: in ErdVenen, in BallenKavernen, SchachGanglionen, SalzTrauben: nörgelnde FeuerNager …
    Das Boot glitt an den Strand. Ich bewegte mich nicht. Nach ihnen legten zwei Kanus voller weißgesichtiger Diener links und rechts von dem Boot an. Rochenstachel stieg heraus und sprang auf mich zu wie ein Mungo, raffte mit beiden Händen die Zigarren auf, zündete eine an seinem einen Auge an und brachte sie zum Aufglühen, indem er mit der leeren Höhle des anderen an ihr zog. Pustel und Blutige-Klauen waren ihm aus dem Boot gefolgt und griffen nach den Zigarren, docher wand sich herum und stach ihnen mit seinen Zehenkrallen in die Augen. Dann stopfte er die Rauchwaren in eine Art Kängurubeutel an seinem Blähbauch. Mit der anderen Klaue packte er mich beim Beinstumpf, raubte mir das Gleichgewicht und zerrte mich hinunter in den See.
    Ich

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