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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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meine Träume übertroffen gewesen. Doch wie sich herausstellte, wurde jemand anderer dazu ausgesucht. Und ich konnte nicht mal eifersüchtig sein, weil sogar ich wusste, dass es so am besten war. Nicht nur aus den Gründen, die Taro nannte – es ging auch aus dem Opferspiel hervor, aus Partien, die ich selbst spielte. Ich konnte dort sehen, dass es jemanden geben würde, der die Welt vernichten wollte, und ihn aufzuhalten wäre zu wichtig, um auch nur das kleinste Risiko einzugehen.«
    Ich versuchte, Sic in die Augen zu blicken, als lebte er noch und würde vor mir stehen. Mir war, als sähe ich in einen Spiegel und könnte sein Gesicht auf eine Weise deuten, wie ich mein eigenes Gesicht im Spiegel hatte deuten können, und das, was ich für Ausgezehrtheit gehalten hatte, wirkte nun eher wie die Nachwirkungen extremer Enttäuschung und Resignation.
    Vielleicht war das schon alles. Vielleicht war Tony nur ein guterKerl gewesen, ein echter Held, der aus überragender Tapferkeit heraus agierte und gegenüber dem ich mir wie ein Feigling vorkam, ein schmieriger Typ, ein Parasit …
    Denk so was bloß nicht, sagte meine andere Seite. Du tust das Richtige. Stimmt’s? Stimmt. Und der Grund spielt keine Rolle. Die Menschen, die du rettest, interessieren sich nicht für deine Motive. Dir kommt es nur einfach nicht so vor, als wären deine Motive gute Motive, weil du es nicht erträgst, dir selbstgerecht vorzukommen. Also zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Außerdem ist Sic vielleicht gar nicht so außergewöhnlich. Vielleicht ist er nur einer von denen, die großartig sein wollen . Und er hat, wie die meisten Menschen, ein bisschen vorschnell aufgegeben. Heutzutage möchte jeder sein Tun viral verbreitet sehen. Deshalb begehen ganz normale Menschen im Livestream immer spektakulärere Selbstmorde. Wenn man unheilbar Kranke befragt, möchten sie selbst dann noch berühmt werden, wenn sie nicht überleben. Dann gab es da noch eine Umfrage, derzufolge siebzig Prozent aller Neuntklässler glaubten, einmal berühmt zu werden. Die Menschen heutzutage können den Gedanken, Durchschnitt zu sein, nicht mehr ertragen. Ich glaube, genau so verhielt es sich mit Sic. Er wollte unbedingt der Neil Armstrong der Vergangenheit sein, der Held, der Mensch, der es als Erster sah. Er wollte ganz vorn stehen, der Erste sein, der Vorreiter der Wissenschaft, sodass er sofort die Chance ergriff, als sie ihm die Gelegenheit boten, auf andere Weise der Held zu sein. Vielleicht würdest du das Gleiche tun.
    »Es gab noch zwei andere Gründe«, fuhr Sic fort. Er erklärte, dass er eine große Familie habe – acht Schwestern, von denen eine an der Tay-Sachs-Krankheit im Endstadium litt; ihre medizinische Versorgung verschlang zweihunderttausend Dollar im Jahr –, und nun seien alle reich. Schließlich gab es noch etwas, worüber er nicht so gern sprach. Plötzlich hatte ich kurz ein Gesicht vor Augen, das Gesicht einer Latina, vielleicht acht Jahre alt, mit dem schönsten Gesicht, das ich je gesehen hatte – als Jed gesehen hatte, meine ich. Dieses Gesicht zeigte einen Ausdruck hoffnungslosen Entsetzens.
    »Ich trage ein paar traumatische Erinnerungen aus der Zeit mitmir herum, als ich für Marcos gearbeitet habe«, sagte Sic. »Es sind Erinnerungen, die ich nicht loswerden kann und mit denen ich nicht mehr leben möchte.«
    Er führte es nicht weiter aus. Ich bekam jedoch den Eindruck – auch wenn es keine Erinnerung war, nur ein Gefühl –, dass die Latina von Sic getötet worden war. Und dass er auf Art und Umstände alles andere als stolz sein konnte.
    Tja, so was kann man nicht vortäuschen, dachte ich. Auf keinen Fall. Ich war mir sicher, dass er echt war und dass er die Wahrheit sagte. Vielleicht kam es daher, dass er jetzt ich war; vielleicht hatte ich aber auch ein wenig davon aufgeschnappt, wie Koh in Menschen hineinblickte, auch wenn ich mir natürlich nicht einbildete, jemals mit ihr auf einer Stufe zu stehen, was das anging. Oder ich verfügte nun über ein Einfühlungsvermögen, das ich in meinem verkorksten Jed 1 -Gehirn nie besessen hatte. Auf jeden Fall war ich mir sicher.
    Also, schlimme Erinnerungen. Er hat recht, dachte ich. Sie sind wirklich lästig. Na ja, jetzt ist er sie ja los.
    »En cualquier caso« , sagte er. »Le deseo suerte. No incurra en ningunas equivocaciones.« Er streckte die Hand aus, und der Schirm zeigte wieder den roten Punkt auf blauem Hintergrund.
    Keine Sorge, Tony, dachte ich. Ich vermassle das

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