2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
ohne die Sache mit Tony Sic hat er schlimme Dinge hinter sich, und er steht unter Medikamenten. Ich verbiete es. Ich verbiete es scheißabsolut.«
»Dem muss ich zustimmen«, sagte Dr. Lisuarte. »Gleich dämmert er nur noch vor sich hin.«
»Marena hat recht«, hörte ich Taros beruhigend präzise Stimme.
»Außerdem geht niemand irgendwohin«, sagte Marena. »In vierundzwanzig Stunden fangen wir neu an. Ich finde das fair.«
Boyle gab nach. Ich hatte den Eindruck, dass nach dieser Entscheidung mehrere Personen verabredeten, in zwölf Stunden zu telefonieren, und dann den Raum verließen. Dr. Lisuartes Krankenschwester, die mir bekannt vorkam, deren Namen ich aber wohl nicht kannte, schob einen freischwebenden Tisch heran und legte einen großen Machen-wir-Jed-fertig-Baukasten darauf ab, ein in Fächer unterteiltes Tablett voller Pillen und Elixiere und Latwergen und einer dicken Tuohy-Epiduralkanüle, die so stumpf und behelfsmäßig aussah wie eine Sicherheitsnadel für Linkshänder. Damit würden sie mich in ein knochenloses Etwas mit Williams-Beuren-Syndrom verwandeln. Lumpenpuppe Jeddy. Mein erdgroßer Kopf schwebte hinauf in die Hände der Krankenschwester. Als Dr. Lisuarte die Elektroden abpflückte, strömten Sturzbäche aus kalten Lösungsmitteln an die Küsten seines Nordkontinents. Ich döste ein.
(82)
Wir fuhren in Kolonne zu Marenas Haus, das in einer bewachten Wohnanlage in einem teuren Vorort von Orlando stand (und zwei Monate nach dem Disney-World-Horror auf Strahlenverseuchung geprüft und für sicher erklärt worden war). Als ich ins Wohnzimmer kam, bemerkte ich durch das Fenster einen Wachtposten, der draußen an Marenas Jaguar lehnte. Im Vorraum stand ein Latino-Schlägertyp; ich glaube, er hieß Hernán. Zusammen mit Grgur, der hier irgendwo herumstrich, waren das drei. Ich fragte mich allmählich, ob die Typen andere draußen oder uns drinnen halten sollten. Ich taumelte ins Badezimmer, weil ich mich zu erinnern glaubte, dass dort ein Dampfbad war, aber ehe ich es einschalten konnte, schlief ich in der trockenen, sarkophagähnlichen Wanne ein.
Es kam mir vor, als hätte ich die nächsten dreißig Stunden gepennt, aber ich erinnere mich, dass meine Toxischen Kollegen in verschiedenen Kombinationen aufgekreuzt sind, um eine kleine, perfekt beiläufige Nachbesprechung abzuhalten. Boyle erinnerte mich ein paar Mal daran, dass alles, was ich 664 n. Chr. erfahren hatte, Eigentum der Warren Corporation sei. Ich hatte ungehalten darauf reagiert, und Marena hatte versucht, die Wogen zu glätten – durchaus mit Erfolg. Lindsay meldete sich, und Marena und ich redeten mit ihm über die Freisprechanlage. Ich war ein wenig überrascht, dass sie nicht privat mit ihm sprechen wollte. Er erging sich in Lobgesängen, wie toll es sei, mich wiederzuhaben. Dann wollte er wissen, ob ich da unten Hebräer gesehen hätte. Marena und ich verdrehten die Augen angesichts dieser typisch mormonischen Frage.
»Nein, Sie über mir, ich habe keine gesehen.«
»Na, irgendwo müssen da aber welche gewesen sein.«
Danach setzten wir uns mit zwei doppelten Espressos hin.
»Kannst du mir jetzt von Tony Sic erzählen?«
»Ich weiß nicht, was er gedacht hat.«
»Versuch es.«
»Er hatte ernste Geldsorgen. Wie bei den Selbstmordattentätern wird seine große Familie bestens versorgt.«
»Warum merke ich denn so gut wie nichts von ihm? Von Schakal merkte ich eine Menge.«
»Weil bei Sic das BTP -Team direkt und gleichzeitig an beiden Gehirnen auf dem OP -Tisch arbeiten konnte. Bei Schakal bestand nicht nur ein räumlicher, sondern auch ein gigantischer zeitlicher Abstand …«
»Okay, das weiß ich ja«, erwiderte ich. Es stimmt schon, ich jammerte bloß. Die Sache war die, dass mir trotz des Videos Sics Motivation, sich selbst zu opfern, nach wie vor ein Rätsel war. Aber vielleicht bin ich auch zu sehr Arschloch, um so etwas je zu begreifen.
Wir hatten Halloween, den 31.10., gegen acht Uhr abends. Max ging in diesem Jahr nicht verkleidet von Tür zu Tür und verlangte »Süßes oder Saures«. Das wäre derzeit wohl so gewesen, als gäbe man den Kindern realistisch aussehende Spielzeugpistolen. Allerdings würde er eine Harry-Potter-Mitternachtsparty besuchen. Er trug schon sein Dementor-Kostüm, nur noch nicht die schwarze Kapuze.
»Also, Domino wollt ihr nicht?«, fragte Marena uns. Ich glaube, sie meinte den Pizzadienst. Vielleicht hatte sie schon danach gefragt, und ich wusste es nicht mehr.
»Mir ist
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