2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Gute. Sei Spiderman. Mit großer Macht kommen große Verantwortung, große Taten und große Toleranz gegenüber Plattitüden … übertreib’s nur jetzt noch nicht. Jetzt musst du nur eins: Du musst dich beruhigen, dich saubermachen, neu gruppieren, neu orientieren und in eine Position bringen, in der du wenigstens klar siehst, welche Mittel dir zur Verfügung stehen.
Aber ich habe diesen Drang, antwortete ich meiner anderen Seite. Ich hatte den Drang, ihnen alles offenzulegen, die Algorithmen des Menschenspiels, alles, was Koh gesagt hat, alles über den echten Doomster, einfach alles.
Nix da, sagte meine andere Seite, da reden nur die Medikamente. Behalte alles für dich. Selbst wenn sie wissen, dass du etwas zurückhältst, was sollen sie tun? Dich mit Amobarbital vollpumpen und versuchen, es aus dir herauszuholen, während du vor dich hinbrabbelst? Nein, ich glaube nicht, dass sie zu einer solchen Maßnahme greifen werden. Nicht solange Marena etwas zu sagen hat. Oder Taro. Selbst wenn M und T beide wissen, dass ich … Nein, trotzdem werden sie so schnell nicht Guantanamo mit mir spielen. Sie werden dicht bei mir bleiben, mich ein paar Tage lang auf die weiche Tour herumzukriegen versuchen, und dann … Na ja, und wenn du dann immer noch dichthältst, bekommen irgendwann Lindsays Gorillas das Okay, harte Bandagen anzulegen. Aber erst mal spiel mit, wie jeder andere Nicht-Loser es tut. Okay? Wenn es in ein paar Tagen haarig wird, kannst du immer noch ausbrechen, wenn es sein muss. Dann kannst du immer noch untertauchen. Tu, was immer du zu tun hast. Bleib ihnen einen Schritt voraus. Genau wie es auf dieser Granola-Verpackung stand:
Bring es!
Erwecke den Riesen in dir. Sei Tony Robbins. Okay? Okay. So, los geht’s.
Ich saß still da. Ich sagte nichts. Das Video hatte zwei Minuten und zwanzig Sekunden gedauert. Jetzt waren wieder zwei Minuten verstrichen, und ich stand dermaßen unter Stoff, war so erfüllt von Gleichmut, dass ich mich in meinem Käfig zurückgelehnt und zu Marena gesagt hätte: »He, sei ein Schatz und schmeiß ’ne Banane rüber«, wäre ich das Baby eines Pavians gewesen.
»Jed? Wir müssen aber noch ein bisschen über das Spiel reden«, sagte eine männliche Mittelwestlerstimme. Ich drehte meinen Riesensteinkopf nach rechts und sah ihn an. Ja, genau, dieser älteste Elder. Endlich erinnerte ich mich an seinen Namen: Laurence Boyle. Auch er trug einen taubenblauen Laborkittel. Hmm, ob das Blau aus echten Tauben gemacht ist? Verdammt, ich war so high wie ein Radiosondenballon. Konzentrier dich.
»Mr. DeLanda?«, fragte er. »Ich möchte nicht gefühllos erscheinen, aber wir müssen noch etwas Geschäftliches besprechen.«
»Richtig«, setzte ich an. »Geschäft geht immer …« Es gelang mir nicht, den Satz zu Ende zu führen.
»Larry, ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist«, sagte Marena. Sie klang authentisch, als ob sie es wirklich empfinden würde. Hatten sie das geprobt? Gab sie den Guten Cop?
Egal.
»Ich verstehe«, sagte Boyle, »aber bringen wir doch einfach ein paar Dinge hinter uns.«
»Hören Sie …«
»Außerdem möchte Elder Lindsay Ihnen gratulieren.« Ich konnte nicht sagen, ob das »Ihnen« nun Singular oder Plural war. »Er steht am Konferenz...«
»Nein, Larry, wir müssen ihm jetzt Ruhe lassen. Ernsthaft. Er ist jetzt nicht in der Verfassung, darüber zu reden.«
Ja, wieso die Eile?, fragte ich mich. Wenn sie den Doomster schon geschnappt haben, wo liegt dann das Problem? Mit dem Spiel wollten sie doch nur eine Menge Kohle für die Warren Group machen. Darauf sollte unausweichlich die Weltherrschaft und ein neues Millenium der konzerngelenkten totalitären weichen Dystopie folgen, wie bei Stanislaw Lem, nur ohne den Humor. Aber das hat doch sicher noch ein, zwei Tage Zeit?
»Miss … Mrs. Park«, sagte Boyle, »ganz wie in den Übungen müssen wir die Nachbesprechung jetzt fortsetzen.«
»Nicht ich glaube, dass dazu bin ich Verfassung in der«, sagte ich.
»Treffen wir uns in vierundzwanzig Stunden wieder«, schlug Marena vor. »Doktor? Was halten Sie davon?«
Lisuarte wollte etwas sagen, doch Boyle schnitt ihr das Wort ab. »Marena, wir geben uns alle Mühe, es so einfach zu machen wie möglich, aber …«
»Schluss damit!«, sagte Marena. »Er hat noch immer einen gewaltigen Schock, ein absolutes Trauma. Wie würden Sie damit umgehen? Er hat Monate verloren. Und dann die beiden Transfers … wir wissen nicht mal, wie das ist. Selbst
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