2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
haben. Er gehörte zu unserer Einheit und hat sich für ein Himmelfahrtskommando gemeldet, mit herausragendem Mut, und er zieht die Karre aus dem Dreck. Es war seine Entscheidung, okay?«
Wieder überlegte ich, etwas zu sagen, das im ersten Moment gut klang, etwas wie »Okay, GI Jane, wenigstens tun wir jetzt nicht mehr so, als wäre es kein militärisches Unternehmen«, aber nach zwei Sekunden Nachdenken sagte ich gar nichts.
»Und der andere, Jed 1 , lebt auch noch«, sagte Marena. »Das ist doch mehr, als du erwartet hättest, oder?«
Ich grunzte.
»Was hättest du getan? Denk darüber nach.«
»Ich weiß nicht, was ich getan hätte«, sagte ich. »Aber das ist eine bedeutungslose …«
Sie wollte mich unterbrechen, doch ich schnitt ihr das Wort ab. »Warum habt ihr es mir nicht gesagt?«
»Weil die Psychoprognosen darauf hindeuteten, dass es besser wäre, größere Schocks von dir fernzuhalten, bis du wieder Boden unter den Füßen hast«, erwiderte sie.
»Weil ihr wolltest, dass ich vorher sämtliche Opferspiel-Daten mit euch durchgehe«, gab ich zurück. »Danach hättet ihr mich einfach auf die Straße setzen können.«
»Unsinn«, sagte Marena. »Entspann dich, sonst geraten wir alle noch tiefer in die Tinte.«
Ich wollte ihr schon eine heftige Erwiderung an den Kopf knallen, ließ es dann aber. Ruhig, dachte ich. Sie hat recht, du musst dich entspannen.
Ich war nicht stolz darauf, aber ich bekam langsam den Verdacht, sie könnte in anderen Dingen recht haben. Zum Beispiel, war ich wirklich so empört? Oder glaubte ich nur, empört zu sein, weil es die angemessene Empfindung gewesen wäre? Manchmal tut man dasRichtige nur, um sich wie ein anständiger Mensch vorzukommen. Weil man sich nicht eingestehen möchte, dass man ein Arsch ist. Also stöhnt man und beschwert sich, aber innen drin, gar nicht so tief unten, findet sich weniger Empörung, als man zu finden hofft oder als man andere finden lassen möchte.
Vielleicht haben sie ja recht, dachte ich. Sie wissen, dass ich darüber hinwegkomme.
Immerhin lebte ich wieder. Das war ein unerwarteter Bonus. Und dem gegenüber, der einem das Leben schenkt, empfindet man Dankbarkeit. Außerdem machte ich mir bereits Gedanken, wie wir es am besten angehen sollten, den wirklichen Doomster zu finden und auszuschalten. Wenn man im Einsatz ist, vergisst man seine eigenen Probleme, oder man akzeptiert es, wenn andere sie für einen lösen. Und aus meinen Magnetsteinbriefen wusste das Team, dass mein Aufenthalt im Jahre des Herrn 664 nicht gerade von Gewaltlosigkeit geprägt gewesen war. Also hatten sich die Leute vielleicht gesagt, dass ein weiterer Quasi-Toter innerhalb meines Gefolges mich nicht weiter stören würde.
Außerdem besaß ich genügend Erfahrung in »Besser Selbsttäuschen mit Chemie«, um zu merken, dass sie mich bis Oberkante Unterlippe mit Alleshübschmacher und Anupadisesa-nibbanadhatu-Nirwana vollgepumpt hatten, obwohl ich mich in einem unvertrauten Körper befand. Ich konnte sogar sagen, dass Levorphanol und Diazepam die Hauptbestandteile waren. Und wenn man genug von dem Zeug intus hat – so viel, dass man sich wie ein Frühlingslamm fühlt, das zehn Stunden in geschmolzener Minzebutter gelegen hat –, kann jemand kommen und einem ins Gesicht spucken, die Freundin ausspannen, auf die blauen Wildlederschuhe treten und einen als Republikaner beschimpfen – man steht duldsam da und lacht darüber, denn so schlimm ist das ja alles nicht. Im Moment erhöhen sie natürlich die Konzentration in meinen Infusionen, und in ein paar Minuten bin ich nur noch ein nutzloser Klumpen …
»Und du bist in einem jüngeren Körper«, sagte Marena. »Du bist jetzt gesünder und siehst besser aus.«
»Wahrscheinlich hat er Leukämie«, erwiderte ich.
»Hat er nicht«, sagte sie. »Dein Körper ist tadellos. Du bist bei bester Gesundheit.«
»Toll.«
»Ja.«
»Ist das der Grund?«
»Wofür?«
»Weshalb ihr mich in Tony verfrachtet habt. Wolltet ihr, dass ich länger gesund bleibe, weil ich so eine große Investition darstelle? Und jetzt bin ich auch kein Bluter mehr. Und ihr wolltet nicht das Risiko eingehen, dass bei der Übertragung in Jed, den ursprünglichen Jed, Jed 1 , etwas schiefgeht. Dass er zu schwer geschädigt wird, um ein effizienter Spieler zu sein. Stimmt’s? Aber so konntet ihr ihn als Notreserve zurückhalten, nicht wahr?«
Sie zögerte leicht. »Da waren noch andere …«
»Oder es gab Persönlichkeitsprobleme.
Weitere Kostenlose Bücher