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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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Stimmt’s?«
    »Wie meinst du das?«, fragte Marena.
    »Euch gefiel mein PTBS nicht, die Tzam-lic-Sucht, das ganze Obsessiv-Kompulsive. Ihr dachtet, Sic wäre cleaner …«
    Zögern. Schließlich sagte Marena: »Doktor?«
    »Richtig, da gab es Bedenken«, antwortete Dr. Lisuartes Stimme. Sie war weiter von mir entfernt als vorher. »Bestimmte Reaktionen von Jed … Ich meine, Sie haben recht, nennen wir ihn Jed 1 , okay? Einige von Jed 1 ’ Reaktionen bei den Persönlichkeitstests unter dem Positronenemissionstomografen waren … Jedenfalls, nach langen Beratungen kamen wir zu dem Schluss, dass er nicht der beste Kandidat für seine neue …«
    »Reden Sie von der Soziopathieskala?«, fragte ich.
    »So etwas wird nicht mit übertragen«, entgegnete sie. »Sic bekam zwar Ihre Erinnerungen, aber er erbt nicht Ihr Gehirn. Sie haben vielleicht das Gefühl, es wäre so, aber tatsächlich sind Sie …«
    Sie verstummte.
    »Also wäre ich empathischer?«, fragte ich. »Gutwilliger? Selbstloser?«
    »So einfach ist das nicht. Sie waren vorher schon ein guter Mensch. Es ging mehr darum, zu quantifizieren, welche Art Mensch der besteEmpfänger für opferspielbezogene Informationen wäre, denn es handelt sich dabei natürlich um Wissen von großer Macht …«
    »Sie glaubten, Sic ließe sich leichter lenken«, sagte ich.
    »Das ist eine grobe Vereinfachung.«
    »Und meine Persönlichkeit hassen Sie sowieso.«
    »Aber nein.«
    »Sie sagen, mein ursprüngliches Gehirn hätte bei der Verarbeitung einen Fehler entwickelt.«
    »Pass auf«, sagte Marena. »Offen gestanden fürchte ich, dass Jed 1 sich nicht mehr ganz normal verhält. Aber wenn du ihn triffst, kannst du das selbst …«
    »Okay«, entgegnete ich. »Aber ich … ich meine, Jed 1 war sicher nicht normal, aber er hätte Tony nicht umgebracht.«
    »Wir haben Tony nicht umgebracht«, sagte Marena. »Wir sollten uns das Video ansehen.«
    »Medizinisch betrachtet …«, begann Dr. Lisuarte.
    »Nein, ich treffe hier eine Kommandoentscheidung«, unterbrach Marena sie. »Zeigen Sie ihm das Video. Das ist mein Ernst.«
    Zwei Sekunden lang war es still. Der rote Punkt verschwand, und Tony Sics Kopf und Schultern erschienen auf dem Monitor. Er wirkte ausgezehrt, aber weder verrückt noch unter Zwang stehend. Aber das war natürlich auch nicht zu erwarten. Der Zeitstempel am unteren Rand lautete 2012 /10 / 24 – 14:26.41. Vor vier Tagen. Er blickte direkt in die Kamera.
    »Y pues, Joachim« , sagte Tony. »Du wirst wissen wollen, weshalb ich mich so und nicht anders entschieden habe.«
    Er schwieg. Ich blickte Marena an.
    »Als ich in Xtaretac aufwuchs« – das ist eine Ch’olan sprechende Stadt nördlich der Stelle, wo einmal Quiruga gewesen ist, etwa hundert Kilometer südlich meines Geburtsorts –, »hörte ich viel von Justo Barrios und Porfirio Díaz und Pedro Cuzcat und Che Guevara und Subcomandante Marcos, und ich wollte immer etwas Bedeutsames tun, um meine compañeros von ganz unten bis nach ganz oben zu bringen. Und ich dachte auch immer, ich würde es schaffen. Sie sollten wieder da stehen, wo sie in der alten Zeit standen, als sie die großen Zitadellen errichteten und über ihre Welt herrschten. Aber später merkte ich, dass mein Ziel nur sehr schwer zu erreichen wäre, obwohl ich gut in der Schule war. Dann, als ich mit Taro zu arbeiten begann, erschien es mir plötzlich wieder machbar.«
    Hmm, dachte ich. Das klingt ja, als meint er es ernst. Aber stimmte das wirklich? Was, wenn er unter Drogen stand? Oder wurde er gezwungen, so etwas zu sagen? War er es überhaupt? Vielleicht war es ein Double. Oder nicht mal ein echter Mensch. Noch vor ein paar Jahren konnte Animationssoftware niemanden täuschen, aber heute kann man jemanden, den man kennt, aus dem Nichts nachstellen, und keiner merkt den Unterschied. Tatsache ist, dass man gar nichts mehr sicher wissen kann. Man lebt in Philip K. Dicks Albtraumwelt der totalen Überwachung und völligen Simulacronisierung, wo absolute Paranoia absolut gerechtfertigt ist. Man musste schon der Präsident sein, um zu wissen, was wirklich vor sich ging. Aber auch das stimmt nicht, denn wer immer den Tiefen Staat lenkt, zieht die Fäden des Präsidenten, der wahrscheinlich einen Herzschrittmacher mit Sprengladung trägt, die explodiert, sobald er die Grenzen überschreitet, die sie ihm setzen, sie mit der wahren Macht …
    »Ich dachte, ich würde das Goldene Zeitalter mit eigenen Augen sehen«, sagte Sic. »Damit wären alle

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