2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
sicher interessant, wenn du ihm begegnest«, hörte ich Taros Stimme.
»Mo-mo-moment – interessant? Seid ihr komplett verrückt geworden?« Es gelang mir, den Kopf zu drehen und in die Richtung zu schauen, aus der Taros Stimme gekommen war. Er stand da. Noch immer trug er seine Maske. Es sah ihm ähnlich, dass er es vergessen hatte. Was hält er wirklich davon?, fragte ich mich. Seine Komplizenschaft in dieser Sache störte mich fast mehr als Marenas Beteiligung. Andererseits war Taro schon immer zu wenig von dieser Welt gewesen, um solche Dinge wirklich zu durchdenken. Dazu war er zu aspergermäßig. Wahrscheinlich war er der Meinung, alles richtig gemacht zu haben, solange mein Bewusstsein irgendwo war, und was Tony anging … na ja, Taro war nun mal merkwürdig. Manchmal hatte ich den Eindruck, für ihn sei die ganze Sache mit dem Ende aller Zeiten mehr Teil eines Experiments als etwas, worüber man sich wirklich Sorgen machen sollte. Er war kein Psycho und kein Sadist, aber für ihn war alles eine mathematische Gleichung. Es kam mir merkwürdig vor, mit meinem alten Lehrer so zu sprechen, aber nachdem ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. »Du bist wie alle. Springen wir doch alle mit seinem wiedererweckten Leichnam in die Mystery Machine, und trinken wir einen mit …«
»Jed, hör zu«, sagte Marena, »worüber reden wir hier eigentlich?«
»So also behandelt ihr eure Freunde? Was macht ihr denn dann erst mit euren Feinden? Vielleicht gebt ihr ihnen …«
»He!« , rief sie. »Jed! Worüber reden wir hier? Reden wir vom Überleben des ganzen Planeten?«
Ich wollte gerade erwidern: »Aber ihr habt den Doomster doch geschnappt«, als ich mich daran erinnerte, dass ich weder Madison für den Doomster hielt, noch dass ich auch nur ein Wort von dem glaubte, was ich sagte – und das würde sich auf dem Polygrafen zeigen.
Polygraf ist noch milde ausgedrückt. Eher Polyinnumerabillomyriadomultinominalograf. Es gab Expertenteams, sowohl software- als auch meatwaremäßig – nicht nur in diesem Raum, sondern in mehreren Labors –, die beobachteten und jeden Mucks und jede Pocke in jedem Lappen und jeder Windung meines Gehirns deuteten. Hölle, wahrscheinlich sahen sie ein Video, wie ich Hüftball gegen die Ozelots spielte und Sex mit Koh hatte – okay, ganz so weit waren sie noch nicht. Auf jeden Fall aber wussten sie sofort, ob ich log, und noch einiges andere mehr.
»Jed?«, fragte Marena. »Ist das überhaupt unser Thema?«
Gib keine Antwort, riet meine andere Seite, mein regelmäßiger Gesprächspartner in meinem endlosen inneren Dialog. Wenn man redet, fuhr meine andere Seite fort, sagt man irgendwann zu viel. Halt einfach die Klappe und sieh zu, dass du die Elektroden loswirst, ehe du irgendwas ausplauderst. Stimmt’s?
Stimmt.
Mit großer Anstrengung trat ich mit ein paar von meinen opiatgetränkten Schultermuskeln in Kontakt und drehte den Kopf hin und her. Ich sah, dass ich mich ungefähr in der Mitte eines Zimmers von der Größe eines durchschnittlichen Schulklassenraums befand und dass neben Lisuarte, Marena, Taro, Michael Weiner, Ashley 2 , Ashley 3 und diesem ältesten Elder vom Stake – die bis auf Taro alle ihre Masken gelüftet hatten – sechs weitere Personen an tragbaren Workstations arbeiteten, die an den Wänden aufgebaut worden waren. Ich glaube, ich erkannte ein paar von ihnen durch die Masken; es waren Studenten Taros, die an der Opferspiel-Software mitgearbeitet hatten. Trotzdem hätte ich nicht geglaubt, dass so viele Leute in die Einzelheiten des Projekts eingeweiht wären. Denn wie konnte man erwarten, dass sie ihr Wissen für sich behalten würden? Außerdem hatte ich mich verplappert. Hier war kein intimer Ort, wo man seine Panikattacke haben, seine Beziehungskonflikte ausfechten oder etwas anderes Persönliches offenbaren konnte. Und wie mein Gehirn vor der Öffentlichkeit entblößt war … Ich hätte mich abgeschiedener gefühlt, wäre ich in einem ausverkauften Theater gynäkologisch untersucht worden. Fuckity-fuckity-fu...
»Denn«, fuhr Marena fort, »wenn wir vom Überleben des ganzenPlaneten sprechen, ändert das die Dinge, und das heißt, wir sind hier so ein bisschen wie im Krieg. Es ist sogar ernster als Krieg, denn es geht hier um das Leben auf der Erde. Eine Zillion unschuldiger Unbeteiligter wird einfach so … Sicher, natürlich tut es uns leid um Tony, aber wir sind dankbar. Er ist ein Mann, mit dem wir zusammengearbeitet
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