2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
winzigen Spalt weit offen steht, und man denkt: Vergiss es, vergiss es (Tür offen) . Gute Nacht (Türoffen, Tür offen) .
»Hör zu«, sagte ich, »wieso rufen wir nicht …«
Ich hörte ein As-und-F-Geläut. Türklingel. Automatisch – es muss Sics Körpererinnerung sein, denn normalerweise bleibe ich einfach liegen wie ein Zweifinger-Faultier – stand ich auf.
»Warte, lass Grgur aufmachen«, sagte Marena.
»Nein, ich gehe schon«, sagte ich. Ich trat ungefähr fünfzehn Schritt vor Gurgelhals – vielleicht war er doch nicht so auf Zack – an die Tür und öffnete sie, als gerade angeklopft wurde. Ich machte den Mund auf, um Hi zu sagen …
Holla. Das war ja ich. Ich sah meinen schlaksigen Körper und mein schmalzig-erwartungsvolles Lächeln, das beides im videofreundlichen Verandalicht ein wenig wankte.
»Hallo, Tony«, sagte er. »Hi.«
»Äh, hi«, sagte ich. »Hi, Jed.«
(83)
Ich winkte ihn herein und machte eine vage Geste zur Garderobe. Ich weiß nicht, was ich mir dabei dachte, denn genau wie ich würde er in diesem Eisbunker seine Jacke anbehalten.
»Ich bin im Loch«, rief Marena. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie uns beobachtete – anscheinend hatte sie in jeder zweiten Lampe eine Kamera. Sie klang beiläufig, als wäre es nichts Besonderes, dass ich mit ihrem Herrenbesuch im Flur stand. Machtlos befolgte ich das Protokoll und zeigte Jed 1 den Weg zum Wohnzimmer. Dann sah ich zu, wie Marena durch das Zimmer schoss und ihre Lippen auf seinen Mund pflanzte – ob das der treffende Ausdruck ist? Max sleekte durch den Flur und machte einen Satz über den Schreibtisch. Marena sah mich merkwürdig an, hob den Finger, was »einen Augenblick« bedeutete, und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Ich glaube, so sehr hatte ich mich gar nicht verändert. Der große starke Jed, heimgekehrt aus Mayaland.
Auf Zehenspitzen ging ich durch den Flur zum Gästezimmer. Wenn sie nicht hörten, wie ich mich davonschlich, vergaßen sie mich vielleicht.
Ich hörte Marena plappern, und nach einer Weile verriet das Klicken von Stein auf dickem Holz, dass sie ein Go-Spiel begonnen hatten. Hmmm.
Die Zeit verstrich. Immer wieder schlich ich mich zurück und an die Tür. Ich legte aber nicht mein Ohr daran, weil ich mir sagte, dass alles, was in diesem Haus geschah, auf Video festgehalten wurde.
»Habt ihr was miteinander?«, fragte Jed 1 .
»Nein.«
Sie mussten sich in einen anderen Teil des Zimmers begeben haben, denn ihre Stimmen waren zu gedämpft, um sie zu hören. Ich gingins Wohnzimmer – es war eine Art Wohnzimmer – und warf mich aufs Sofa. Hm. Verdammt. Ich bin es da drin, und er weiß es nicht. Ich fühle mich ausgeschlossen und bin eifersüchtig. Ich nahm allerdings an, dass sie nichts miteinander hatten, wenn er so unsichere Fragen über mich stellen musste. Andererseits hatte Marena gerade gesagt, dass zwischen uns nichts lief. Lief wirklich nichts? Ich ging wieder ins Gästezimmer, schaltete die Deckenbeleuchtung aus und begann mein Auf- und Abschreitritual. Ich war bei der dreihundertsten Kehre, als Stimmen aus dem Telefon kamen. Ich wollte schon abheben, da bemerkte ich, dass ich gar nicht angeredet wurde, sondern dass Marena die Sprechanlage eingeschaltet haben musste, damit ich ihr Gespräch mit Jed 1 hörte.
»Erzähl es mir bloß nicht, du Dreckschwein, du, du … du glaubst, du kannst diese Entscheidung treffen? Du kannst diese Entscheidung nicht treffen, du bist kein … kein höheres Wesen größerer Weisheit, du bist bloß … du bist ein Loser, ein langweiliger, aufgeblasener Geek, der nichts zustande bringt. Glaubst du wirklich, du bedeutest irgendjemandem was? Du kennst niemanden, den zu kennen sich lohnt, niemand hat je von dir gehört, und du hast noch nie im Leben etwas geleistet, das auch nur entfernt von Bedeutung ist …«
Ich hörte ein leises Grunzen. War da jemand geschlagen worden? Und ihre Stimme hatte so kehlig geklungen. So … verzweifelt. Ich nahm den Hörer ab, schaltete die Freisprechanlage ab und ging in den Flur.
»Du Stück Scheiße! «, hörte ich Marena. »Ich hab mich praktisch in dich verknallt, und du bist nur Scheiße. Du bist schlimmer als Scheiße! Du bist, was Scheiße ausscheißen würde, wenn sie scheißen könnte!«
Ich rutschte leicht auf Tony Sics Sportlersocken, als ich um die Ecke des Ganges kam.
»Wie halte ich es auf?«
Ich öffnete die Tür und sah den Anderen Jed, Jed 1 , wie er sich über eine sehr klein wirkende Marena
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