2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
herum verschob sich alles. Ich blieb der Gleiche. Jetzt war es, als stände ich am Rand eines niedrigen Abhangs auf der Spitze eines sterilen Vorgebirges, nicht sonderlich weit oben, nur etwas zu hoch, um einen Sprung in die Tiefe überleben zu können, und der Hang war zu steil, um ihn hinunterzuklettern. Von meiner Position in der Spiel-Welt konnte ich – zumindest soweit ich es im Augenblick visualisierte – über die nächsten beiden Monate hinweg zum Kamm bei 4 Ahau sehen, aber ich sah nicht, wie man dort hingelangte, ganz zu schweigen davon, wie man den Kamm überwand und weiterging.Der gesamte Spielzustand beruht auf der Binsenweisheit, dass man sich eine Sache, von der man nicht weiß, was sie ist, nicht genau genug vorstellen kann, um zu erkennen, was sie bewirkt. Sie kennen das: Wenn man nicht weiß, woher man kommt, weiß man auch nicht, wohin man geht, dieses Zeug eben. Das aber ist die ganze Zeit Kohs großes Problem gewesen. Ich meine, es gibt eine Grenze. Und selbst jetzt, wo ich all diese vielen Einzelheiten vor mir ausgebreitet sah, war es, als stolperte ich vielleicht über einen riesigen Kiesstrand aus Petoskey-Steinen, nur dass es weniger Steine waren, sondern mehr diese Verwehungen aus Plastikkapseln mit Spielzeug und Kaugummi und Figürchen und Würfeln und kleinen Kameras und Taschenlampen und anderem Schnickschnack in diesen Spielautomaten mit dem Greifarm, wie man sie in Einkaufszentren oder auf Autobahnraststätten findet. Mit den Einzelheiten verhielt es sich jetzt so, dass sie so klein waren und so zahlreich, dass ich die richtige packen musste, nur um den nächsten Schritt zu machen. Ich konnte hinaus in den Raum gehen und zum nächsten Tafelberg, wenn ich nur die Brücke fand, den festen Pfad durch diesen obstsalathaften Sumpf aus Sinnbildkonfetti-Treibsand, doch wenn ich aus zusammengekniffenen Augen auf den Boden blinzelte, sah ich nicht bloß auf eine ganze Küste voller stationärer Objekte, sondern in ein von Gaudi und Cheval gestaltetes Mosaik des Watts Tower aus komprimierten Ereignissen, die unter meinen Füßen brodelten, durchscheinende Schichten sich verästelnder Kapillaren, verknotete Netze aus Perlen, bei denen jede Perle etwas anderes einschloss, eine Idee oder eine Partikelkollision oder eine Krankheit oder einfach irgendetwas Altes, Menschen und Minerale und im Fernsehen übertragene politische Ansprachen und tote Termiten und Zeitpläne und Bewegungsrichtungen, Wohltätigkeitsorganisationen, Todesfälle, Währungseinheiten, chemische Reaktionen, Schuhe und Schiffe – es war wie Errors Ausfluss am Anfang von The Faerie Queene , nur war dies eine Flutwelle aus Dreck, und es gab nur einen Weg, der fest genug war, um einen dorthin zu führen, wohin man wollte; die anderen brachen einfach zusammen, und man rutschte auf irgendeinen neuen Pfad, der mit dem alten nicht das Geringste zu tun hatte. Man musste deshalb mit etwas beginnen, dasman gut kannte. Man suchte eine Kette aus Ursache und Wirkung auf der anderen Seite, die man erkannte, und verfolgte sie zurück. Zum Beispiel war No Way dort gewesen. Er hatte eine Handvoll Fußabdrücke auf der anderen Seite hinterlassen, ein bisschen Abrieb, den ich als seinen erkannte. Genauer gesagt war er nicht wirklich dort gewesen, denn dort lag die Zukunft, aber es war dort etwas, das mir den Eindruck vermittelte, No Way hätte irgendwie über die Erhebung gesehen, und wenn ich dort hinüberwollte, dann konnte ich ihn vielleicht fragen. Es war, als könnte ich seine Absicht sehen, dorthin zu gehen.
Okay, Zeit zu entscheiden. Ich bemerkte allerdings, dass ich mich bereits entschieden hatte.
Die Kunst, einen richtigen Schokoeisbecher mit Sirup und Sodawasser zu machen, gerät allmählich in Vergessenheit, so wie die Signalübermittlung durch Semaphoren. Wenn man ein vernünftiges Ergebnis will, gibt man einen Mundvoll Milch, zwei Mundvoll Schokoladensirup und natürlich einen Schuss Sprudelwasser ins Glas, und das Ganze vermischt man sehr, sehr gut, ehe man noch irgendetwas anderes tut. Dann gebe ich am liebsten ein paar Flocken Schokoladeneis hinzu und rühre sie unter, damit alles kalt wird. Anschließend gießt man den Großteil des Sprudelwassers hinzu, hoch bis zwei Fingerbreit unter dem Rand, und rührt alles ganz vorsichtig durch. Dann lässt man zwei Kellen Eiscreme hineinfallen, dass sie in die Flüssigkeit sinken, lässt sie wieder auftauchen und setzt die letzte und am perfektesten geformte Kugel Eiscreme auf die Kante
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