2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
schattenhaft und konturiert ; jede kleine Einzelheit war von dunklen Höfen umgeben, als wäre es in eine grenzenlos flexible Membran eingeschlossen. Mich schauderte, ohne dass ich einen Grund dafür hätte nennen können. Erst dann bemerkte ich, dass wir an einem Wandgemälde von mir selbst vorübergingen, von Schakal, wie er das halach pitzom des Tuns gegen 6-Hurrikan beim See der Schnappschildkröte gewann, komplett mit einer Inschrift à la »zum Gedenken an den Allergrößten« mit all meinen Siegen und ihren Daten. In mir stieg Stolz aus zweiter Hand auf, den ich nur mühsam unterdrücken konnte. Als wir die erste Brücke überquerten, sahen wir die Kanäle und den großen Altwasserarm um den Tempeldistrikt, auf dem sich die Zeremonienkanus drängten, alle mit Baumwollbannern und Ketten aus roten und rosa Geranien bedeckt. An ihnen festgemacht schwebten riesige Sonnenscheibendrachen.
Ein Kontingent Harpyien-Geblüte hatte uns in Empfang genommen. Sie gingen nun neben Hun Xoc her und beredeten flüsternd und in Codesprache, wie mit den Bekehrten zu verfahren sei. Sie müssten in das Tal kommen können, doch sie kämen nicht näher als bis an den zweiten Palisadenring, ohne dass ein Kampf entbrannte. Geblüte und Abhängige der verschiedenen Sippen und sogar einige Ozelots in ihren auffälligen Halbcapes aus smaragdgrünen Trogonfedern drängten sich auf den niedrigen Mauern der Straße und drückten gegen die Abschirmkette aus Geblüten, um einen Blick auf Frau Koh zu erhaschen. Sie brüllten immer wieder die gleichen Fragen; hauptsächlich wollten sie Vorhersagen für das große Hüftballspiel. Jemand flehte Koh an, einen Fluch auf jene Männer zu schleudern, die seine vier Töchter vergewaltigt und »versiegelt« hätten, docher wurde niedergebrüllt. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, Koh sei mächtig genug, um ohne Schaden für sich selbst den Rollenden Kopf zu beschwören. Allgemein galt ein Fluch, der den Kopf mit einbezog, als so wirksam, dass er nicht nur den Verfluchten, sondern auch den Verfluchenden tötete. Nur wenn man wirklich jemand ganz Großes war, konnte man ihn ausführen und überleben. Koh jedoch ignorierte das Ansinnen.
Wir bogen von der Sacbe ab und stiegen die Treppe zu den Ballplätzen hinunter. Die Stadt war von einer Atmosphäre erfüllt, wie sie zum Hüftball-Großspiel gehörte und die bloße Festtagsstimmung weit hinter sich ließ. Jede Fläche war mit flüchtigen Mustern in Himmelblau, Violett und Magenta gefärbt, geölt und poliert und wieder geölt, und alles funkelte im pfirsichfarbenen Licht. Ich wollte mir ständig wachsam über die Schulter blicken und musste mir immer wieder in Erinnerung rufen, wie töricht das war: Wenn sie uns jetzt angriffen, konnten wir es nicht ändern.
Wir überquerten die zweite Brücke und zogen unter dem Schwarzen Tor hindurch. Wir gelangten in eine Gasse zwischen den Reihen aus niedrigen steinernen Umkleidegebäuden, die den Spielplatzbezirk eingrenzten. Wir hatten nun Männerterritorium betreten, doch da Koh ein Grenzwesen war, bedeutete ihre Anwesenheit kein Problem. Außerdem ließ sie sich von ihren beiden männlichen Dienern durchscheinende Fächer aus blaugrünen Federn an beide Seiten des Kopfes halten, sodass sie symbolisch ihren heiligen Platz niemals verließ. Ich konnte die Spieler hören, wie sie sich in den sichtgeschützten und bewachten Umkleiden bereit machten; jenseits davon wuchs der Lärm der Menge auf den Tribünen an, dieses nervöse Raunen vor Beginn eines blutigen Spiels. Wir kamen an einigen Händlern vorbei, die warmes Trinkwasser zu Dürrepreisen verkauften. Gut, dachte ich, die Hauszisternen der Leute sind dann wahrscheinlich so gut wie leer. Wenn es einen Kampf gab, würden die Soldaten und die Feuer den Rest des Trinkwasservorrats binnen weniger tausend Schläge verbrauchen.
Die Harpyien-Geblüte führten uns – Koh und ihre Zwergin, die zwei Diener, dazu 2-Hand, 14-Verwundeter und mich sowie unsereDiener – in den hinteren Teil eines Gebäudes, das man als Besucherzentrum bezeichnen könnte. Durch eine kleine Anustür gelangten wir in einen der wenigen kleinen Umkleideräume, die nicht benutzt wurden. Ich wünschte mir, Hun Xoc wäre bei uns gewesen, doch er musste eine besondere Reinigung durchlaufen. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, die in der Kabine herrschte, entdeckte ich eine Statue von mir im Maßstab 1:5 in einer Nische – das heißt, ich als Schakal, der Hüftballer. Die
Weitere Kostenlose Bücher