2015 - Mein Freund der Tod
Sinn. Trauer, Betroffenheit, aber auch Zufriedenheit, daß ich es geschafft hatte zu schweigen.
Eine Handbreite über meiner Kehle verharrte die Klinge. „Ich frage dich zum letztenmal", begann Yomanril in beschwörendem Tonfall. „Dein Leben, Reginald Bull, gegen die Geheimnisse der Terraner. Eines Tages wird die Liga sich glücklich schätzen, dem Kristallimperium anzugehören."
Ein erfülltes Leben lag hinter mir. Ich hatte mitgeholfen, die zerstrittenen Nationen der Erde zu vereinen und der Menschheit einen Platz im Weltall zu sichern. Allen Rückschlägen zum Trotz war es aufwärtsgegangen, und so würde es in Zukunft sein. Die Geschichte lehrte, daß Despoten wie Bestich nie in der Lage gewesen waren, ein dauerhaftes Regime zu errichten. Der Freiheitswille intelligenter Individuen erwies sich letztlich stärker als alle Mauern.
Mit hörbarem Klicken rastete das Fallbeil noch einmal in der Höhe ein. „Wie schnell ist das Abwehrsystem verfügbar?" drängte Yomanril. Ich schwieg. „Welchen Systemen steht es zur Verfügung?"
Ein Lächeln stahl sich auf meine Züge. Wann würde der Folterknecht die Sinnlosigkeit seiner Fragen einsehen? „Die Tu-Ra-Cel meldet, daß nicht viele der neuen 800-Meter-Schiffe gebaut wurden. Die LFT hat Probleme bei der Beschaffung der positronischen Bauteile."
„Wer soll eigentlich reden, Yomanril?" brachte ich seufzend hervor. „Wenn du es tust, kann ich schweigen."
Die Verwünschung, die er hervorstieß, zeugte nur von seinen schlechten Nerven. Ich lachte leise und stellte fest, daß es mir guttat. „Still!" herrschte er mich an.
Mein Lachen wurde lauter. „Du weißt nicht, was du willst", ächzte ich. „Erst drängst du mich zum Reden, dann soll ich schweigen. Ich habe die Angst vor dem Tod längst verloren. Begreif das endlich und schick Bostich in die Wüste!"
„Was bildest du dir ein, Terraner?" brauste er auf. „Ihr seid nur Emporkömmlinge, lausiges Gesindel, das ohne arkonidische Technik ..."
„Langsam, mein Freund", warnte ich. „Ich bin nicht dein Freund."
„Richtig. Seit ich dich kenne, ist der Tod mein Freund." Ich stockte. Mir war übel, und unter der Schädeldecke rumorte eine Herde Marschiere-Viels. Lange würde ich nicht mehr durchhalten, das spürte ich. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, Yomanrils infinite Todesstrafe ging keineswegs spurlos an mir vorüber. Noch schaffte ich es, mich nach außen hart zu geben, aber im Inneren bröckelte meine Ruhe bereits. „Ich werde dich jetzt töten, Bull. Endgültig!"
Entschlossenheit lag in seiner Stimme. Sie hinderte mich nicht daran, spöttisch zu lachen. Ich starrte auf die blitzende Klinge über mir und amüsierte mich. Weil Yomanril soeben seine Unfähigkeit eingestanden hatte, mir mein Wissen zu entreißen. Ich würde es mit in den Tod nehmen. „Wenn ich hier rauskomme, Yomanril", keuchte ich, „dann bringe ich dich um. Und wenn es das letzte ist, was ich in meinem Leben tue."
Fiel die Klinge schon? Ein stechender Schmerz fraß sich in meine Gedanken - Einbildung, denn nichts hatte sich verändert. Yomanril, der Folterknecht, kostete seine Macht ein letztes Mal aus.
Dumpf starrte ich in die Höhe. Tränen sammelten sich und verschleierten den Blick, und zum erstenmal seit langem begann ich ein lautloses Gebet zu murmeln. Erinnerungsfetzen drängten sich in den Vordergrund: Reginald Bull, Elektronik-Ingenieur an Bord der ersten Mondlandemission, festgeschnallt auf der Pneumoliege, während nur wenige Dutzend Meter tiefer das Gurgeln und Brodeln der Treibstoffpumpen den Schiffsrumpf erzittern ließ.
5.
Dreiundsiebzig Lichtjahre betrug die Entfernung von Cormittos Stern bis ins Herz des Kristallimperiums, zur weißen Sonne Arkon - im Zeitalter der Metagrav-Triebwerke, die selbst einer Korvette einen Überlichtfaktor von 68 Millionen erlaubten, ein Katzensprung. Bei Höchstwerten bedeutete dies eine theoretische Flugdauer von unwesentlich mehr als einer halben Minute, was in Wirklichkeit wegen der dichten Population im Sternhaufen M13 ein Husarenritt geworden wäre, den nicht einmal USO-Spezialisten ohne zwingenden Grund wagten.
Als die KYRANTAR am Rand des Arkon-Systems materialisierte, nur wenige Lichtsekunden von der Umlaufbahn des äußeren Planeten entfernt, hatte die Besatzung einen Bruchteil der an der Leuchtfeuersonne ARK-23 verlorenen Zeit wieder aufgeholt. „Eine Minute achtunddreißig Sekunden", hallte Roi Dantons Stimme aus den Bordlautsprechem. „Kein
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