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202 - Unter schwarzer Flagge

202 - Unter schwarzer Flagge

Titel: 202 - Unter schwarzer Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Anweisungen, die Kuyper wiederholte: Die teilweise nur halb bekleideten Matrosen strömten ins Quartier zurück, um vorschriftsmäßig ihre Lumpen anzulegen.
    Andere sammelten sich um den Master und gestikulierten, Leeuwemoed, der Dritte, marschierte an der Spitze von sechs oder sieben Männern zum Heck, wo die beiden größten Beiboote hingen.
    »Leichen!«, schrie der Ausguck jetzt und sprang wie ein Gummiball in die Höhe. »Leichen! Blut! Gütiger Kristian!« Er wedelte mit den Armen und deutete auf die Long Tall Shorty.
    »Es ist keine lebende Seele an Bord! Da hat es ein Gemetzel gegeben!«
    »Wie?«, schrie Haggard und brachte die ihn umstehende Meute mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Was?«
    Der Ausguck wiederholte, was er gesichtet hatte. Nun, da die Schelm der Long Tall Shorty ziemlich nahe gekommen war, befahl Haggard eine sofortige Kursänderung.
    Der Rudergast trat in Aktion, Slodder und Piet halfen ihm.
    Kuyper befahl zwei Dutzend Gaffer in die Wanten, die alle Segel reffen sollten, um die befohlene Kursänderung zu unterstützen.
    Auch Rulfan und Matt kletterten nach oben. Schon auf halber Höhe erkannten sie, dass der Ausguck nicht übertrieben hatte. Auf den blutigen Planken des Dreimasters lagen mindestens zwei Dutzend Männer in ihrem Blut.
    Herumliegende Waffen deuten an, dass sie nicht still und heimlich getötet worden waren, sondern sich gewehrt hatten.
    Was war passiert? Hatte es eine Meuterei gegeben? Wer hatte gegen wen gekämpft? Und wer hatte gewonnen?
    Hinter der leblosen Long Tall Shorty wurde nun auch Land sichtbar: eine aus schwarzem Gestein bestehende Insel von bizarrer Form.
    War sie vulkanischen Ursprungs? War sie vielleicht erst während der gewaltigen geografischen Umwälzungen entstanden, die das Angesicht des Erdballs im Jahr 2012 verändert hatten? Matt bezweifelte, dass sie vor dem Einschlag des »Kometen« schon existiert hatte.
    Nebel umwaberte das Eiland; da und dort glaubte er dunkle Wälder zu sichten. Wie konnte eine Vulkaninsel bewaldet sein? Es gab weit und breit kein Land, von dem Erde herübergeweht sein konnte.
    Nun verdunkelte sich der Himmel vollends. Wind kam auf.
    Es fing heftig an zu regnen.
    Haggard warf fluchend die Arme in die Luft und eilte, verfolgt von Kuyper und Leeuwemoed, in die Messe, deren Tür der Smutje ihm diensteifrig offen hielt.
    Die Matrosen kletterten aus den Wanten und flohen unter Deck. Ein Gehilfe des Smutje brachte dem Rudergast einen Südwester und einen langen Mantel und verschwand wieder.
    Der arme Hund war der Einzige, der das Unwetter ertragen musste.
    ***
    Haggard ließ die Sandbank weiträumig umfahren. Nachdem sie der Insel so nahe gekommen waren wie der Long Tall Shorty, sichtete er eine Bucht. Gebellte Befehle ließen Kuyper an Deck eilen und Tiefenmessungen vornehmen.
    Eine halbe Stunde später stand fest: Es gab eine Einfahrt in die Bucht. Haggard befahl Slodder herbei und ließ ihn den Rudergast ablösen. Slodder steuerte das Schiff trotz des miesen Wetters und widriger Seitenwinde mit kühlem Kopf und sicherer Hand in die Bucht, wo Haggard den Anker werfen ließ.
    »Hört zu«, sagte der Master in der Messe zu Matt, Rulfan, Slodder, den Offizieren und fünf Maaten, die sich versammelt hatten. »Es ist nun an der Zeit, dass ihr erfahrt, was das Ziel unserer Reise ist.« Er schaute sich um. »Wir haben genau genommen zwei Ziele: ein geografisches und ein wirtschaftliches. Unser geografisches Ziel war bisher eine Insel namens Madagaskar. Unser wirtschaftliches Ziel ist eine zweibeinige Laus namens Max Fontein. Unser geografisches Ziel vergessen wir erst mal, da wir bisher angenommen haben, es sei das Versteck der Laus.«
    Matt und Rulfan schauten sich an. Haggards Aussage, dass Madagaskar nun kein Ziel mehr war, fand keineswegs ihren Beifall, aber im Moment konnten sie schlecht gegen ihn opponieren, wollten sie nicht außer Gefecht gesetzt werden.
    »Wir gehen davon aus, dass Fontein sich noch bis vor Kurzem auf der Long Tall Shorty aufgehalten hat«, fuhr Haggard fort. »Vielleicht ist er sogar für das Gemetzel auf dem Schiff verantwortlich. Ich traue ihm zu, dass er aus Dummheit den Steuermann getötet hat und dass die Long Tall Shorty deswegen gestrandet ist.« Er trat ans Bullauge und deutete hinaus. »Ich wette, er hat sich auf dieses Eiland gerettet und wartet dort auf bessere Zeiten.« Er räusperte sich. »Wir werden ein Boot zur Long Tall Shorty rüberschicken und seine Spuren suchen. Danach sehen wir weiter.«

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