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202 - Unter schwarzer Flagge

202 - Unter schwarzer Flagge

Titel: 202 - Unter schwarzer Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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du, auf was du dich da einlässt, Matt?«
    »Was hättest du an meiner Stelle getan? Sie über Bord geworfen – oder gar verpfiffen?«
    Rulfan zuckte die Achseln. »Natürlich nicht.« Er seufzte.
    »Du hast ja Kinder, da denkst du natürlich anders über so was.«
    »Hast du eigentlich auch welche?«
    Rulfan schaute ihn perplex an. »Keine Ahnung. Ich war selten lange genug an einem Ort, um es zu erfahren. Ich will es aber nicht ausschließen. Alt genug bin ich ja wohl.« Er grinste.
    »Wie geht’s dir? Kannst du noch eine Schicht abreißen oder schläfst du gleich ein?«
    Matt lächelte gequält. »Ich glaub, ich hab den toten Punkt gerade überwunden.« Er winkte dem Smutje. »Bring mir noch ‘n großen Becher von dem schwarzen Teufelszeug, das du so großmäulig Kafi nennst.«
    »Aye, aye, Sparrow.« Der Smutje zwinkerte ihm zu.
    Rulfan nahm seine Mahlzeit ein. Dann verzog er sich mit den Worten: »Auch wenn du mich nicht siehst – ich bin heute Nacht überall und nirgends.«
    Matt leerte seinen Becher. Das Zeug war mörderisch stark und konnte einen Menschen schon wach halten. Sein Herz pochte gegen seinen Brustkorb.
    Er ging hellwach hinaus und trat an die Reling, um sich die kühle Abendluft um die Nase wehen zu lassen. Wie immer waren zu dieser Stunde nur wenige Gestalten an Deck zu sehen.
    Die Besatzung der Schelm bestand aus etwa vierzig Personen. Da in drei Schichten gearbeitet wurde, fläzten sich unter Deck ständig fünfzehn Mann in den Hängematten.
    Weitere fünfzehn hatten Freiwache. Sie saßen in der Regel unter Deck, spielten Karten, würfelten, zogen sich gegenseitig auf oder schlugen die Zeit tot, indem sie die Bordschwalbe frequentierten oder unter einem kleinen Sonnensegel sitzend die Sonne genossen.
    Der Rest erledigte jene Tätigkeiten, die dafür sorgten, dass das Schiff auf Kurs blieb. Hin und wieder hatte Matt sogar einen Offizier mit einer Armbrust auf dem Achterdeck flanieren sehen – auf der Suche nach Seevögeln, die vielleicht daran interessiert waren, die Brigg kurzfristig als Rastplatz zu nutzen: Geflügel gab es auf der Schelm nämlich nur selten zu essen.
    Heute Abend wurde weder musiziert, noch gesungen. Hätte der Wind nicht geweht, wäre es gespenstisch still gewesen.
    Die Rolle des Rudergastes spielte diesmal Slodders Kumpan Wim, ein muskulöser Kerl mit tückischen Augen, dessen Großmäuligkeit ihn schon am ersten Tag unbeliebt gemacht hatte. Dass er mit der Bordschwalbe so umgegangen war, als sei sie sein Eigentum, hatte ihm für den Wiederholungsfall die Todesdrohung dreier Zimmerleute eingetragen. Seither riss Wim sich am Riemen.
    Als er Matt in der Dunkelheit herumspazieren sah, gackerte er wie ein Huhn – als wolle er ausdrücken, dass er keinen Respekt vor dem Plankensheriff habe.
    Matt tauchte in die Finsternis zahlreicher Nischen ein, bis er sicher sein konnte, dass Wim ihn aus den Augen verloren hatte.
    Er selbst behielt den Mann stundenlang im Blick. Im Morgengrauen bekam Wim Besuch von Slodder. Der tuschelte mit ihm und flüsterte ihm allem Anschein nach Witze ins Ohr, denn Wims Gekicher wollte kein Ende nehmen. Dann ertönte achtern ein Klatschen.
    Matt fuhr herum. Dem Klatschen folgte ein gedämpfter Schrei. Schon verstummte er wieder. Matt befürchtete, dass Keetje sich an Deck geschlichen hatte, um Luft zu schnappen, und dabei mit jemandem von der Mannschaft zusammengestoßen war. Er vergaß Slodder und Wim und eilte geduckt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
    Zwei, drei Schritte vor der Tür, die zu Keetjes Versteck hinab führte, rangen zwei Gestalten miteinander: Die eine – klein und drahtig – stand mit dem Rücken zur Reling, die andere – beleibt und kräftig – drosch mit festen Schlägen auf die andere ein, wuchtete sie hoch und wollte sie über Bord werfen.
    »Halt!«, schrie Matt. Er sprang auf die dunkle Gestalt zu.
    Als er sie von hinten packte, hörte er hinter sich auf den Planken Schritte und sah aus den Augenwinkeln, dass Slodder ihm zu Hilfe kam.
    Matt riss den Beleibten von der Reling zurück, der seine Last nun fallen ließ. Ein leiser Schmerzensschrei sagte Matt, dass er nicht Keetje vor einem grausamen Schicksal bewahrt hatte, sondern Offz Zwo Kuyper. Der Beleibte war Piet, der einen guten Grund hatte, sich an dem Offizier zu rächen, nachdem er schon einmal mit ihm aneinander geraten war.
    Matts Erkenntnis veränderte die Lage jedoch nicht: Statt aufzugeben, fuhr Piet knurrend herum und holte zu einem Schlag

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