2022 - Para-City
Berge führte kein Weg. Die Verkehrsanbindung war also schlecht. Es gab nicht einmal eine Transmitterstation. Doch das spielte keine Rolle, da man jederzeit bequem mit Gleitern anreisen konnte.
Ansonsten verfügte Mor Jueglo über alles, was eine Stadt benötigte. Es waren alle Versorgungsleitungen ebenso vorhanden wie alle Entsorgungsanlagen, allerdings blieb alles weit hinter dem Komfort zurück, den andere Ansiedlungen boten. Es war lediglich die Grundausstattung. Für ihn hatten sie vollkommen ausgereicht. Er verzweifelte jedoch, daß die jungen Leute mit diesem Komfort zufrieden waren.
Sie sind verwöhnt, dachte er für sich. Wo sie herkommen, sind sie etwas anderes gewohnt. Sie werden nicht damit zurecht kommen, oder sie werden meutern, so wie es heutzutage ist mit diesem verwöhnten Volk.
Als Mangel empfand selbst der Alte, daß es keine Druckleitung gab, über die Versorgungsgüter schnell und problemlos herangeschafft werden konnten. Sie hatte all die Jahre über keine Rolle gespielt, da der Markt am Rande von Mor Jueglo ohnehin geschlossen war und keine Waren benötigte. Da die Stadt nun aber bezogen wurde, fehlte eine solche Leitung.
Ramon Alvarez rutschte ein wenig nach vorn auf dem Stuhl und streckte die Beine aus. Den Hut aus Guanakoleder zog er sich tief in die Stirn. Er war gespannt, wie die neuen Siedler die Versorgungsschwierigkeiten überwinden wollten.
Gruppen von jungen Männern und Frauen gingen von Wohncontainer zu Wohncontainer und bestrahlten ihn mit gleichgerichtetem Licht. Der schützende Kunststoff löste sich auf; der sanfte Wind blies den entstehenden Staub davon.
Mehr und mehr Gleiter kamen an, landeten am Rande der Stadt und spuckten junge Männer, Frauen und viele Kinder aus, die meisten mit Gepäck beladen, alle voller Eifer und viele von geradezu hektischer Betriebsamkeit auf der Suche nach der ihnen zugewiesenen Unterkunft.
Ramon Alvarez beobachtete die jungen Menschen, und er hatte den Eindruck, daß viele unter der oberflächlichen Geschäftigkeit und der aufgesetzten Fröhlichkeit etwas zu verbergen hatten. Als er sich einige Männer und Frauen genauer vornahm und sie nicht aus den Augen ließ, vertiefte sich dieses Gefühl.
Sie haben Angst! wunderte er sich und fragte sich, warum das so war.
Eine Gruppe von munter scherzenden jungen Frauen bezog die Wohncontainer in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Sie bemerkten ihn, warfen ihm scheue und auch abweisende Blicke zu, und beachteten ihn nicht weiter. Lediglich eine der Frauen meinte, er solle aus der Stadt verschwinden.
Verblüfft verfolgte der alte Mann, wie eines der Gepäckstücke sich selbständig machte und in den oberen Container hinauf schwebte.
In diesem Moment erfaßte er die ganze Wahrheit.
Mor Jueglo erhielt ganz besondere Bewohner. Mutanten.
Unwillkürlich griff er sich an den Kopf und fragte sich, ob die Frauen alle seine Gedanken erfaßt hatten. In diesem Augenblick drehte sich eine der Frauen um, blickte ihn lachend an und klatschte ganz leicht in die Hände. Es war eine Geste der Anerkennung, und sie bestätigte ihm, daß seine Überlegung richtig war.
Der Teleporter, mit dem Alvarez zuerst gesprochen hatte, war also nicht der einzige, der über Para-Fähigkeiten verfügte. Alle hatten diese geistigen Kräfte.
Es kroch ihm kalt und unbehaglich über den Rücken herauf. Er nahm den Hut ab und kratzte sich den schon recht gelichteten Schädel. Mit dem Gedanken, wie ein offenes Buch vor den Mutanten zu stehen, konnte er sich nicht anfreunden.
Er wollte seine Überlegungen und seine Gefühle für sich allein haben. Eben deswegen war er in die Einöde gezogen. Doch nun nahm man ihm nicht nur seine Unterkunft, sondern auch seine ganz persönlichen Geheimnisse.
Sein Eremitendasein war zu Ende. Es half nichts, daß er sich dagegen stemmte. Er würde die Nähe der Mutanten nicht ertragen. Er mußte gehen, und jetzt wollte er auch.
Mit einem Aktionismus, der ihm geradezu lächerlich erschien, begannen viele der jungen Leute an den Häusern und in den Straßen zu arbeiten, um aufzuräumen und Ordnung zu schaffen. Wind und Wetter hatten ihre Spuren hinterlassen. Gräser und Büsche hatten sich angesiedelt, wo sie nun nicht mehr erwünscht waren, abgestorbenes Gestrüpp und Knochen von Guanakos, die der Puma gerissen hatten, lagen herum und mußten beseitigt werden.
Nur vereinzelt kamen Arbeitsroboter zum Einsatz. Alvarez verfolgte, daß einige junge Männer die Helfer sogar desaktivierten, weil sie von
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