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2022 - Para-City

Titel: 2022 - Para-City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zu dem Wohncontainer, den er vor einigen Jahren bezogen und in dem er seitdem gelebt hatte.
    Alvarez stand mitten in der wohl häßlichsten Stadt der Erde. Ihr Anblick rief Assoziationen an eine Barackensiedlung hervor. Rings um einen Kern von Gebäuden herum, die im Schnellverfahren aus Fertigelementen zusammengesetzt worden waren, gruppierten sich als konzentrische Kreise angeordnete, doppelstöckige Wohncontainer. Es gab so viele davon, daß die Stadt mehr als 50.000 Bewohnern ausreichend Platz geboten hätte.
    Ramon Alvarez bewohnte nur einen der Container. Nachdem er die Stadt entdeckt hatte, war er eingezogen. Mit Hilfe von gleichgerichtetem Licht hatte er die Folien geöffnet, mit denen alle Gebäude von Mor Jueglo eingeschweißt worden waren.
    Er erinnerte sich kaum an die ersten Tage, wohl aber daran, daß nicht an einem einzigen Tag der vielen, darauf folgenden Jahre ein Mensch in dem Hochgebirgstal aufgetaucht war. Er war allein gewesen. Hätte nicht immer mal wieder ein Gleiter das Gebiet in großer Höhe überflogen, hätte er annehmen können, allein auf der Welt und der letzte Mensch zu sein.
    Die riesigen, schwarzen Blöcke erwiesen sich als Frachtcontainer, die auf Antigravplatten transportiert wurden. An Rande der Stadt - dort wo der Supermerkado stand - landeten sie, und aus einigen weiteren Containern strömten Menschen hervor.
    Ramon Alvarez sank wie gelähmt auf den Stuhl, der, ausgeblichen und schon brüchig geworden, vor seinem Container stand. Namenloses Entsetzen packte ihn, denn er ahnte, daß seine letzten Tage in Mor Jueglo gekommen waren. Was auch immer man mit der Stadt vorhatte, er spielte ganz sicher keine Rolle in den Planungen, und ihn würde man wohl nicht dulden.
    Dem alten Mann war, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er war hilflos und wußte nicht, was er tun sollte.
    Plötzlich bemerkte er einen Schatten, und als er den Kopf hob, sah er einen jungen Mann vor sich.
    Er war etwas 1,90 Meter groß, schlank, fast hager, hatte einen unsteten Blick und ein trotzig vorgeschobenes Kinn. Der Alte hätte hören müssen, wie er kam. Doch das hatte er nicht. Niemand konnte sich ihm unbemerkt auf dem knirschenden Kies nahem, der überall lag. Und doch war dieser junge Mann da, und Alvarez hatte ihn erst bemerkt, als er unmittelbar vor ihm erschienen war.
    Als ob er aus dem Nichts heraus gekommen sei!
    Der Alte umklammerte sein Gewehr, richtete es jedoch nicht auf sein Gegenüber.
    Grimmig entschlossen blickte er den Fremden an, und dann sagte er mit rauher, fast brechender Stimme: „Ich gehe hier nicht weg. Dies ist mein Zuhause. Seit vielen Jahren. Ich weiß nicht, seit wie vielen, aber das spielt keine Rolle."
    „Du hast hier nichts zu suchen." Der andere strich sich kurz über das Haar und stellte sich vor: „Ich bin Startac Schroeder, und so leid es mir tut, du kannst nicht bleiben."
    „Wieso nicht, zum Teufel?" Der Alte deutete zu den Frachtcontainern hinüber. „Ihr seid nur wenige, und falls noch mehr kommen sollten, werden es ein paar Hundert sein. Na und? Da bleibt Platz genug für mich. Und ich werde immer noch allein sein."
    „Es werden fünfunddreißigtausend sein."
    „Mor Jueglo könnte fünfzigtausend aufnehmen, es bleiben also fünfzehntausend Plätze frei", röchelte Alvarez. Wieder verspürte er einen stechenden Schmerz in der Brust. „Es tut mir leid. Alter. Du hast drei Stunden, deine Sachen zu packen. Danach komme ich zurück und bringe dich, wohin du willst." Nach diesen Worten verschwand er.
    Alvarez riß überrascht die Augen auf. Ihm war, als habe er ein Holo gesehen, das plötzlich ausgeknipst worden war. Und dann endlich begriff er, daß er es mit einem Teleporter zu tun gehabt hatte.
    Er seufzte, sank müde in sich zusammen und machte keinerlei Anstalten, sich von seinem altersschwachen Stuhl zu erheben.
    Die Stadt - seine Stadt - lag hoch in den Anden in einem abgelegenen Seitental des Altiplano-Hochlands, rund 150 Kilometer südwestlich von La Paz. Die nächste bewohnte Stadt war mehr als fünfzig Kilometer entfernt. Von dort war Ramon Alvarez irgendwann aufgebrochen, nachdem er sich entschlossen hatte, abseits der Zivilisation zu leben.
    In den Jahren hatte er seine Stadt erforscht. Er wußte, daß sie spartanisch eingerichtet war und so gut wie nichts bot. Es gab nur eine einzige Straße, die zu ihr hinführte, und nur auf ihr war sie zu erreichen und wieder zu verlassen. Über die steil ansteigenden Wände der sie umgebenden

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