2023 - Der Para-Fürst
er sich sogleich in Decken einhüllte.
„Geh nicht weg!" brachte er mühsam hervor. „Wir müssen darüber reden."
„Was gibt es noch zu reden?" fragte der Teleporter. „Du hast dich abgekühlt und bist jetzt hoffentlich vernünftig."
„Das war menschenunwürdig!" beschwerte sich Mor'Hannan. „Du hattest kein Recht, mich so zu behandeln."."Du hast Menschenleben in Gefahr gebracht, mein Freund", widersprach Schroeder. „Was meinst du, was bei uns los wäre, wenn jeder durchdrehen dürfte und wenn wir dabei zusehen und gar nichts tun würden? Wir sind zivilisierte Menschen, und so wollen wir uns auch verhalten. Die Menschen außerhalb der Stadt haben Angst vor uns, und wenn wir ihnen nicht beweisen, daß diese Angst unbegründet ist, geht es uns früher oder später an den Kragen."
„Angst? Wieso Angst? Keiner von uns bedroht irgend jemanden. Wir haben genug mit uns zu tun."
„Das ist es eben, mein Freund. Du denkst nur an dich selbst, aber nicht an die Menschen in unserer Umgebung, die mit dem Gedanken fertig werden müssen, daß hier 35.000 Mutanten auf einem Haufen leben. Reiß dich also zusammen, oder du landest noch einmal da oben in Schnee und Eis."
„Du hast kein Recht, so etwas ohne Gerichtsurteilzutun!"
„Du kannst dich ja beim Rat der Stadt beschweren!"
Startac Schroeder ließ sich auf keinen weiteren Wortwechsel ein. Er ging hinaus auf die Straße, wo weitere Aufgaben auf ihn warteten. Kamlan Mor'Hannan war nicht der einzige, der in diesen Tagen seine Beherrschung verlor.
Das Kind war so bleich wie das Kissen, auf dem sein Kopf ruhte. Verzweifelt beugte die junge Frau sich über sein Krankenbett.
„Es muß doch etwas zu machen sein", schluchzte sie. „Ich kann nicht zusehen, wie meine kleine Schwester stirbt, ohne etwas versucht zu haben. Wieso haben wir denn keinen Mediker in Para-City?"
„Weil unter uns Mutanten kein ordentlich ausgebildeter Mediker ist", antwortete Hegrim Mihori sanft, „und weil Clayra Puschkin erschossen wurde."
Vor etwa einer halben Stunde war sie von der in Panik geratenen Frau ans Krankenbett des Kindes gerufen worden. Beide wohnten in einem Container am südlichen Rand der Stadt. Ihre Nachbarn waren junge Menschen, die alle auf ihr eigenes Leben konzentriert waren und so gut wie kein Interesse für die gerade mal zwanzig Jahre alte Frau und ihre vielleicht neun Jahre alte Schwester zeigten. Mitfühlend hatte sich Hegrim Mihori beider angenommen.
Sie war die wohl stärkste Suggestorin in Para-City. Das jedenfalls hatte Falo Gause in einer Ratssitzung geäußert, und er hatte hinzugefügt, sie hätte nich nicht einmal vor dem legendären Ribald Corello verstecken müssen. In dieser Hinsicht stimmte die „sanfte Riesin", wie man sie liebevoll nannte, nicht mit ihm überein, zumal so viele Jahrhunderte nach dem Tod des berühmten Mutanten niemand mehr objektiv feststellen konnte, wie stark er tatsächlich gewesen war.
Immer wieder hatte Startac Schroeder sich um sie bemüht. Er wollte sie unbedingt in den Polizeidienst einbeziehen, weil jeden Tag junge Mutanten durchdrehten. Sie wäre fraglos in der Lage gewesen, die meisten von ihnen schnell zu beruhigen. Doch .das wollte sie nicht. Sie hatte sich einem anderen Dienst verschrieben, der ihr wichtiger zu sein schien.
Ihren Beinamen hatte sie wegen ihres zutiefst umgänglichen und liebenswürdigen Wesens bekommen.
Sie war aufgeschwemmt, brachte bei einer Körpergröße von knapp 1,70 Metern mehr als hundertdreißig Kilogramm auf die Waage und besaß ein rundes Mondgesicht. Ihre hellen Haare waren sehr dünn und lagen nach und kraftlos an, was sie absolut nicht attraktiv aussehen ließ. Sie trug eine dunkle Kutte, die am Hals hochgeschlossen war und glatt bis auf ihre Füße hinabfiel. Das Kleidungsstück war weit und bequem; es war alles andere als vorteilhaft für sie, denn es ließ sie kompakter aussehen, als sie ohnehin schon war.
Doch ihr angenehmes, freundliches Wesen ließ ihr Äußeres vergessen,.
Hegrim Mihori war eine junge Frau, die ihre Suggestorfähigkeit niemals in ihrem Leben zu ihrem eigenen Vorteil eingesetzt hatte. Statt anderen Befehle zu erteilen oder zumindest starken Einfluß auf sie zu nehmen, wie man es von einer Suggestorin erwartete, ordnete sie sich ihrer Umwelt stets nur unter. Da sie sich zum Leiden geboren fühlte, zeichnete Schwermut ihr Dasein. Doch das war immer nur der Fall, wenn sie allein war. Konnte sie anderen eine Stütze sein, blühte sie auf, wurde munter und konnte
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