2029 - Ein Planet im Visier
Rüstung. „Laßt die Flüchtlinge entkommen - wir brauchen sie noch. Widerstand ist zu brechen. Ich gehe davon aus, daß unsere Truppen bis morgen abend die Lage im Griff haben. Sollte das nicht der Fall sein, werden einige Befehlshaber in Erklärungsnotstand geraten. - Gib das wörtlich weiter!"
*
Eine halbe Tonta war seit dem Beginn des Truppenaufmarsches vergangen. Als Mascant Kraschyn die AUMOKJON an Bord seines Prunkgleiters verließ, von einer Elitegarde der Naats flankiert, glaubte er die Erhabenheit dieses geschichtsträchtigen Augenblicks zu spuren.
Der Himmel über der Hauptstadt hatte sich bewölkt, in der Ferne zuckten Blitze über das Firmament. Die entfesselte Natur auf Ertrus interessierte ihn nun nicht.
Wie ein gewaltiger Finger reckte sich der Regierungssitz in die Höhe. Während des Landemanövers gewann Kraschyn mehrmals den Eindruck, das massige Bauwerk stehe in hellen Flammen, doch erweckten nur Spiegelungen des Himmels in den gewaltigen Glasfassaden diesen Eindruck.
Der Wind drehte. Das nahende Gewitter riß wie ein gewaltiger Staubsauger alles an sich, was nicht niet- und nagelfest war. Staub und Unrat fegten durch die Luft und verdichteten sich in der Ferne in einer Vielzahl düsterer Wirbel. Das Wetterleuchten über den Wolken hatte etwas von der Brisanz atomarer Explosionen.
Das Display auf Kraschyns Helminnenseite zeigte ihm eine rasch ansteigende Temperatur.
Der Durchschnitt von 32,3 Grad Celsius wurde schon um mehr als zehn Grad übertroffen, trotzdem stieg die Meßkurve weiter an.
Wie ein gieriger, alles verschlingender Moloch quoll Dunst über den weitläufigen Platz vor dem Präsidentenpalast, Wasserdampf von der nahen Barkennto-Quelle. Innerhalb weniger Augenblicke wurden die in Reih und Glied angetretenen Raumsoldaten vom Nebel umwogt.
Ein seltsames Bild, Arkoniden, Naats, Unither und alle anderen im Dunst versinken zu sehen.
Der Nebel erreichte eine Höhe von knapp eineinhalb Metern über dem Boden. Viele Arkoniden und Angehörige der Kolonial Völker verschwanden fast bis zur Brust darin; die drei Meter großen Naats ignorierten den ihre Hüften umwabernden Nebel.
Mascant Kraschyn schritt die Ehrenfront ab. Wobei „schreiten" der denkbar falsche Ausdruck war. Das Gefühl, durch den immer dichter werdenden Nebel zu schwimmen, ließ sich kaum vertreiben.
Die Temperatur war auf 54 Grad Celsius gestiegen. Auf den Schutzanzügen begann Feuchtigkeit zu kondensieren. Lediglich die Formenergiehelme waren davon nicht betroffen. „Sobald der Einsatz auf Ertrus beendet ist, werden wir die Barkennto-Quelle zuschütten", sagte Kraschyn ungeduldig. „Ich verstehe nicht, weshalb ausgerechnet die Ertruser sich eine solche Sentimentalität leisten."
Dreihundert Meter noch bis zu den Vorbauten des Regierungsturms. Eine gewaltige Säulenhalle in Form stufenförmiger Terrassen leitete vom Vorplatz zum Hauptgebäude über.
Die Fassade glühte im Schein der Abendsonne. „Der Turm ist verlassen", hatten die Vortrupps gemeldet. „Alle Archive wurden gelöscht und ausgelagert." Unwichtig. Für Mascant Kraschyn begann in diesem Moment eine neue planetare Epoche, alles Alte war Ballast. Lediglich die verlorenen Dateien der Geheimdienste schmerzten. Aber er würde die Kopien bekommen. Aufgrund von Querverbindungen hoffte er dann Dutzende TLD-Agenten unschädlich zu machen.
Die Warnung einiger Naats kam spät. Ein Glutball flammte auf, eine sonnenhelle Entladung nicht einmal hundert Meter voraus. Wabernd ließ sie für die Dauer eines Augenblicks Soldaten durchscheinend werden und stieg in langsam verblassender Pilzform in die Höhe.
Der selbsttätig aktivierte Blendschutz bewahrte den Mascanten vor Netzhautschäden, er hatte direkt in den Explosionsball geschaut. Zwei weitere hochbrisante Sprengkörper explodierten zwischen den Reihen der Soldaten. „Ertruser!" schrie jemand völlig überflüssig.
Kraschyn verfluchte den Nebel, dessen dichte Schwaden die Angreifer jeder Direktsicht entzogen. Auch das auf die Helminnenseite projizierte Bild der Infrarotortung war ein einziges Konglomerat undefinierbarer Schatten. Die hohen Temperaturen verschluckten die Wärmeausstrahlung einzelner Körper völlig.
Der Mascant zerbiß eine Verwünschung zwischen den Zähnen. Auch die Energieortung erbrachte keine Aussage. Während die arkonidischen Raumsoldaten für die Ortungen der Gegner in ihren schweren Schutzanzügen und mit aktivierten Individuälschirmen wahre Leuchtfeuer abgaben,
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