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2030 - Chimaerenblut

2030 - Chimaerenblut

Titel: 2030 - Chimaerenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin , Mo Twin
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hatte. Er hatte sie am Morgen sorgfältig in feuchtes Papier gewickelt, das er jetzt aufrollte. Die Rose legte er aufs Grab und nickte den Inschriften zu. Einen Moment verharrte er, dachte an die Toten, an Weihnachten vor zehn Jahren. Dreizehn war Leon damals, und er hatte noch daran geglaubt, dass alles gut würde. Seine Schwester Johanna hatte die Nieren-Operation überstanden. Doch plötzlich starb sie an Salmonellen. Es waren die Eier aus Wilmershofens Fabrik. Leon ballte die Faust. »Du Schwein kommst mir nicht davon!«
    Sanft strich er mit dem Finger über die Inschrift seiner Eltern. Nur drei Jahre später waren sie an der Großen Influenza gestorben. Die Schuldigen versteckten sich hinter einem Gestrüpp aus wirtschaftlichen und politischen Fehlentscheidungen. Und genau daran wollte er etwas ändern.

 
8
    Mittags, Berlin (Neukölln):
    Leon bog in die verkehrsberuhigte Straße mit den Altbau-Fassaden, an denen schon seit Jahren die Farbe blätterte. Niemand machte sich mehr die Mühe zu streichen, denn am Sockel prangten schon am nächsten Tag wieder neue Graffiti-Sprüche. Das löchrige Kopfsteinpflaster bremste den Schwung seines Bikes ab. Ein Dutzend klappriger, rostiger Fahrräder lehnte kreuz und quer neben den Hauseingängen. Drei Autos parkten vor dem Haus. Es waren immer dieselben; er kannte jedes einzelne, den kleinen Elektromini der Frau über ihm, die geräumige Familienkutsche der Nachbarn vom Neben-Flur, den gut gepflegten Zweisitzer seines Vermieters, der ganz oben wohnte. Leon nahm den üblichen Weg durchs Treppenhaus, schleppte sein Bike in die Wohnung, goss einen starken Kaffee auf und setzte sich an den Bericht.
    Er würde keine Namen nennen , das war ausgemacht. Es ging nicht um die Aktivisten, es ging um Wilmershofen . Leon grübelte. Irgendetwas musste der Polizei vorgelegen haben, sonst hätte ihn nicht Anfang des Jahres dieser Kontaktmann angesprochen. »Wir wissen, dass Sie ein besonderes Interesse haben, Wilmershofen dran zu kriegen. Leider sind uns die Hände gebunden, solange bei uns keine Anzeige eingeht. Wir können nicht einfach ohne Verdacht eine Hausdurchsuchung anordnen. Die Eierlieferungen sind einwandfrei und vorschriftsmäßig deklariert. Die letzte offizielle Inspektion hat nichts ergeben. Wir würden nur allzu gerne einen Blick in die hinteren ungenutzten Bauten werfen. Ohne Durchsuchungsbefehl dürfen wir das aber nicht. Und den bekommen wir nicht ohne triftigen Grund. Sie haben mein Wort, dass wir ein Auge zudrücken, wenn Sie sich das mal genauer ansehen, wir wollen nur wissen, was Sie vorgefunden haben. Die Polizei ist auf Ihre Mithilfe angewiesen.«
    Leon hatte sich gewunden, sie würden keine illegalen Sachen machen. Wie die Polizei darauf käme?
    Sie hätten da andere Informationen, hatte der Kontaktmann entgegnet und Fotos vorgelegt. Die Aktion lag zwei Jahre zurück. Leon war der einzige, den man auf den Bildern identifizieren konnte. Seine Haare lugten unter der Sturmhaube hervor. Er konnte sich nicht rausreden, da sie sein Gesicht per Computer rekonstruiert hatten. Er hätte sich am liebsten ein Monogramm in den Arsch gebissen.
    Wenn er Wilmershofen an die Polizei liefern könnte, dann sei er dabei, knickte Leon schließlich ein.
    Der Kontaktmann hatte ihm daraufhin kumpelhaft die Hand auf die Schulter gelegt und ihn geduzt. »Du studierst doch noch oder? Wir haben gute Kontakte. Wir können dich später empfehlen, auch als Chimäre, wenn unsere Zusammenarbeit klappt.«
    Der bittere Geschmack der Bestechlichkeit lag bis heute auf Leons Zunge, und er schwor sich, niemanden aus der Gruppe zu gefährden oder zu verraten. Ihm war klar, die Polizei hatte kein Interesse daran, verwahrloste Hühner zu befreien. Im Gegenteil, diese Beweise mussten die Aktivisten verschwinden lassen, das war Einbruch in Verbindung mit Diebstahl. Das müsste er in seinem Bericht verschweigen. Jetzt, nachdem die Sache durch Josi offiziell war, würde allerdings auch die Polizei endlich ermitteln. Selbst wenn Wilmershofen die Anzeige zurückzog.
    Leon war klar, dass der »vollständige Bericht« alles andere als vollständig sein durfte, trotzdem musste in den Bericht, was das wahre Ziel der Ermittlungen war, das was er im hinteren Raum vorgefunden hatte. Er schrieb: »Im vorderen Raum fanden wir Hühner, deren Haltung sämtliche Tierschutzgesetze missachteten, sie standen in ihrem eigenen Dreck, hatten kahle Stellen im Gefieder und blutunterlaufene Augen. Auch ohne nähere Untersuchung

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