2035 - Exodus der Herzen
Umgehend.
Wie viele Sekunden seit Beginn der Kampfhandlungen? dächte ich.
Vierzehn!
Ich merkte, daß Tekener und die anderen mich erwartungsvoll ansahen. „Feuer frei!" befahl ich. „Massiver Gegenschlag! Sämtliche Transformkanonen!"
Die zuständigen Besatzungsmitglieder schienen nur auf diese Anweisung gewartet zu haben. Im nächsten Augenblick wurde das Dröhnen und Hämmern in der Zentrale schier unerträglich. „Roman, Kurs auf das Zentrum der seltsamen Zone am Südpol! Kurs auf Alshma Ventor!"
Fee Kellind starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und Tek riß überrascht die Augen auf, lächelte dann aber leicht.
Solange diese Zone noch existiert! höhnte der Extrasinn.
Trotz der wahnsinnigen Geräuschkulisse vernahm ich ein leises Vibrieren, und ein Blick auf die Hologalerien bestätigte meinen Eindruck. Diesmal befolgte SENECA die Steuerimpulse der SERT-Haube ohne die geringste Verzögerung. Der Kurs, den ich angeordnet hatte, schien also im Sinn der Überrang-Order, der das Bordgehirn folgte, der richtige zu sein.
Warum nicht gleich so?
Ich ignorierte den Einwand des Logiksektors, schaute zu den Hologalerien.
Die Ausläufer einer Eruption griffen nach der senkrecht hinabrasenden SOL. Glutflüssiges Magma, von der Wucht einer Vulkanexplosion kilometerhoch in die Atmosphäre geschleudert, vermengt mit verflüssigtem Gestein, durchsetzt mit Wasserstoff-, Sauerstoff- und Stickstoffresten. Eine Umgebung, in der jedes organische Leben in Sekundenbruchteilen verdampft wäre, aber nach dem Beschuß durch die Mundänen die reinste Erholung für die gestaffelten Schutzschirme der SOL.
Die meisten Holos zeigten ein rotglühendes Wabern und Wirbeln, andere ein schwarzes Wallen. Nur in den Fehlfarbendarstellungen der energetischen Ortung konnte ich erkennen, daß die vormals feste Planetenkruste sich mittlerweile teilweise verflüssigt hatte. Die Lufthülle war durch die gewaltigen Explosionen zum Teil ins All hinausgeschleudert worden, zum Teil hatte sie mit den Auswurfmassen reagiert.
Die hyperenergetische Ortung zeigte absolut irrwitzige Werte.
Wir jagten auf den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs zu. Vor uns rotierte ein Neutronenstern mit unvorstellbarer Geschwindigkeit um sich selbst. Fremde Universen taten sich auf und züngelten mit ihren Strangeness-Werten nach uns. Das Abstrahlfeld eines gewaltigen Transmitters wurde hochgefahren.
Und wenn von alledem gar nichts vorhanden war? Wenn dieses Alshma Ventor nur ein hyperphysikalisches Irrlicht war, ein interdimensionales Störfeuer, vielleicht eine unpassierbare Überlappungszone ...
Dann würde die SOL ungebremst durch diesen energetischen Spuk fliegen und sich ein paar Sekunden später in die Reste der Planetenkruste bohren.
Das Hantelschiff würde diesen Aufprall nicht überstehen, und Auroch-Maxo-55 vielleicht auch nicht.
Aber der Planet war ja sowieso dem Untergang geweiht ...
Nein! gab der Extrasinn mir Hoffnung. ES hat uns nach INSHARAM befohlen und diesen Weg vorgesehen. ES wird dafür sorgen, daß wir INSHARAM erreichen und seinen neuen Auftrag erfüllen können! Alles andere wäre sinnlos! So sinnlos, daß nicht einmal eine Superintelligenz eine solche Anweisung geben könnte!
Ich wollte an die Worte des Logiksektors glauben, doch die Planetenoberfläche, die für mich rasend schnell größer wurde, löste in mir etwas aus, was der nackten Panik gefährlich nahe kam.
Verstärkt wurde dieses Gefühl durch den Umstand, daß plötzlich sämtliche Holos ausfielen. Zeigten sie gerade noch in unterschiedlichen Maßstäben das Wabern einer schwarzen Scheibe, auf die das Schiff zuzurasen schien, verdunkelten sie sich von einem Augenblick zum anderen, stellten nur noch ein undefinierbares schwarzes Wallen dar, die Verkörperung des greifbar gewordenen Nichts.
Stürzten wir in ein Schwarzes Loch? In einen Neutronenstern? Tötete uns die Strangeness eines anderen Universums, in das wir gezerrt wurden?
Konnten wir tatsächlich auf diese obskure Weise, die ES befohlen hatte, INSHARAM erreichen?
Die hyperenergetischen Gewalten schlugen endgültig über uns zusammen, und ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Kopf. Er löschte fast jedes Denken aus, verwandelte mein Gehirn in Lava, die kaum weniger glutheiß war als die, die aus der Oberfläche des Planeten unter uns geschleudert wurde.
Bleib wach! hämmerte schwach und unendlich weit entfernt der Logiksektor. Gleite nicht ins Dunkel ab!
Dann dehnte der Schmerz sich auf
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