204 - An Afras Ufern
wusste so manches über die Stammesmitglieder, und durch dieses geheime Wissen hielt sie sich auch ihre Freier vom Leibe; davon war Lasoo überzeugt. Mit diesem Gedanken schlief er ein. Und er schlief nicht nur ein paar Stunden, sondern bis zum späten Nachmittag. So entging ihm der Aufbruch des Kriegsministers zur Großen Stadt: Am frühen Vormittag verließen Nabende und ein junger Krieger auf Kamshaas ( mutierte Kamele ) das Lager der Dankar.
***
Die weiße Stadtmauer in der Ferne reflektierte das Licht der Mittagssonne. Matthew Drax hielt sich schützend die Hand über die Augen: Unter seinen Füßen kroch die Pipeline den kleinen Hang hinunter in die Ebene. Wie eine rostrote Schlange wand sie sich über den ockerfarbenen Untergrund bis zur Stadt und verschwand schließlich in einer Öffnung der Mauer.
Matthew sprang von dem Rohr an die Seite seines Freundes, der neben der Pipeline stand. »Nur noch ein kleines Weilchen und wir werden wissen, wo wir sind!«
Der Albino nickte, ohne seinen Blick von Chira zu wenden, die den Hang hinunter tollte. Sie hatte sich von dem Schrecken im Pilzsumpf erholt und konnte es offenbar kaum erwarten, den Wald so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Da ging es ihr wie Rulfan. Ihm stellten sich immer noch die Nackenhaare auf, wenn er an die Pilze dachte.
Für ihren Weitermarsch durch den Wald hatten sie nur noch das Rohr als Weg benutzt. Das war sicherer: Noch über eine lange Strecke hinweg ragten die Pilze links und rechts des Rohres wie flache Findlinge aus dem Boden.
Rulfan hoffte, nie mehr auf solche Abarten der Natur zu stoßen. Was ein frommer Wunsch war angesichts des Einfallsreichtums dieser postapokalyptischen Welt.
Am Fuß des Hanges kam ihnen Chira entgegen. Rulfan klopfte ihr auf die Flanke. »Wenn wir Glück haben, bekommen wir in wenigen Stunden ein saftiges Stück Fleisch zwischen die Zähne!« Als hätte sie jedes Wort verstanden, bellte Chira zweimal und preschte los. Aber es sollte noch lange dauern, bevor sie etwas zu essen bekamen.
Neben der Pipeline verlief jetzt eine staubige kleine Straße.
Rechts und links flankierten trockene Felder den Weg.
Schwarze Stoppeln ragten aus der Erde. Anscheinend hatten die Menschen hier nach der Ernte die stehen gebliebenen Halme einfach abgebrannt. Auf dem Weg flirrten Steine und Sand in der sengenden Sonne. Ein heißer Wind blies den beiden Männern ins Gesicht. Sie waren froh, genügend Wasser bei sich zu haben. Immer wieder tranken sie und schauten sich um, ob sie irgendwo Menschen oder eine Hütte entdeckten.
Aber da war weit und breit nichts! Nichts außer Staub, verbrannten Feldern und einigen Vögeln, die am Himmel ihre Kreise zogen. Erst nach Stunden schien die Stadtmauer endlich näher zu rücken. Von ihren Zinnen hing eine Fahne. Ihr hellblaues Tuch flatterte im Wind.
Die Schritte der Gefährten wurden schneller. Nach einer Weile änderte sich auch die Beschaffenheit des Weges: Rote Pflastersteine bedeckten den Boden. Es sah aus, als hätte jemand wahllos beschlossen, ab einem bestimmten Punkt den Weg mit den klobigen Steinen zu pflastern. Dann tauchten die ersten Bäume rechts und links der Straße auf: Palmen, an denen in dunklen Trauben Datteln hingen. Bei ihrem Anblick lief Matt das Wasser im Mund zusammen. Er warf Rulfan einen Blick zu.
Der Albino verstand und grinste. »Ein Stück Fleisch wäre mir lieber!«
»Ich bin sicher, das bekommen wir. Scheint eine reiche Stadt zu sein!« Matt deutete auf die goldene Fahnenstange, die aus einer Mauerzinne ragte. Abrupt blieb er stehen und schaute an sich herunter. Seine Kleider und Schuhe starrten vor Dreck.
Rulfan sah auch nicht besser aus. »Vielleicht sollten wir nicht gerade wie die letzten Landstreicher dort ankommen…« Kurz entschlossen benutzten sie das verbliebene Wasser im Schlauch, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Matthew klopfte sich den Staub von dem Anzug aus marsianischer Spinnenseide, und Rulfan band sich die Haare zu einem Zopf.
Selbst Chiras Fell wurde gründlich abgeklopft. So hergerichtet erreichten die Gefährten das geschmiedete Bronzetor. Vier Wachleute mit Lanzen traten heraus und musterten sie misstrauisch.
»Djambo!«, rief Matthew ihnen lächelnd zu. Er legte seine linke Hand auf die Brust, zum Zeichen, dass sie in friedlicher Absicht kamen.
»Djambo?«, raunte Rulfan erstaunt.
»Das ist die einzige afrikanische Begrüßung, die ich aus meiner Zeit kenne«, gab Matthew zurück.
Die Wächter kannten sie offenbar
Weitere Kostenlose Bücher