2044 - INSHARAM
schädigen?" Dieser Ansatz ist logisch, versuchte der Extrasinn mich aus meiner Lähmung zu reißen. Schließlich muss ja auch die SOL das INSHARAM wieder verlassen, auch wenn wir noch nicht die geringste Ahnung haben, wie das möglich sein soll. Uns wird etwas einfallen. Meine Logik war für den Extrasinn absolut inakzeptabel. Ich sah selbst ein, dass es sich weniger um Logik als um reinen Trotz handelte. Eins stand für mich fest: Wesen von so positiver Natur wie die Inzaila Onda, die so schwer in Not geraten waren, würden wir nicht einfach hilflos zurücklassen, was auch immer geschehen mochte. Überlege genau, was, du tust! Ich ignorierte die mahnenden Worte des Logiksektors nicht einmal. „Ich verspreche Jonkylm", sagte ich, „mit all meinen Kräften nach einer Lösung des Problems zu suchen."
Die Antwort war so schlicht, dass sie tief mein Herz rührte. „Wir danken dir", sagte Dekomag. „Und nun solltest du an Bord deines Raumschiffs zurückkehren."
Es fiel mir unendlich schwer, die Inzaila On da zu verlassen. Mit jedem Schritt, den ich mich von ihr entfernte, wuchs die Leere in meinem Geist, das Gefühl, dem reinen Glück nahe gewesen zu sein und es nun wieder zu verlieren. Du Narr! zeterte der Lästersinn. Wie oft hast du geglaubt, endlich das grenzenlose Glück gefunden zu haben, und es wieder verloren? Das ist etwas anderes, erwiderte ich wenig überzeugend. Doch der Logiksektor wusste, was ich meinte, und schwieg. Tengri Lethos, dachte ich. Der Hüter des Lichts ...
Wie lange war es her? Eine Ewigkeit.
Doch das, wofür der Hathor eingetreten war, war noch nicht gestorben. Nach allem, was wir in den vergangenen zwei Jahrtausenden erlebt hatten, war es lebendiger denn je zuvor. Als ich im Licht des Helmscheinwerfers die SOL-SJ-33 ausmachen konnte, kam sie mir im Vergleich zu Jonkylm klein und unbedeutend vor, künstlich und kalt. Die Essenz der Inzaila Onda haftete noch an mir; jegliches Menschenwerk war dem gegenüber wertloser Tand, von einem nachsichtigen Ozean dahingespült an die Gestade des vergänglichen Zeitgeschmacks und der inhaltsleeren Werte. Doch die Gegenwart zerschlug das Ideal, kaum dass ich mich wieder mit ihr eingelassen hatte.
EPILOG
Der Notruf
Das Schleusentor der SOL-SJ-33 hatte sich kaum hinter mir geschlossen, als Alarm durch die Space-Jet schrillte. Vor mir bildete sich Tonko Kerzners Hologramm. Der Ertruser sah wieder völlig normal aus, wohlgenährt und ausgeruht. Offensichtlich hatten die Alpträume für alle Besatzungsmitglieder der Space-Jet ein Ende genommen, nachdem Jonkylm erwacht war. „Wir haben einen verstümmelten Normalfunk-Spruch aufgefangen!" sagte er aufgeregt. Ich fragte mich, wieso er wegen solch mundäner, banaler und profaner Ereignisse dermaßen aufgewühlt war, fand jedoch nach einer Mahnung des Extrasinns wieder ein Stück tiefer in die Realität zurück.
Willkommen in der Wirklichkeit! „Ich dachte", sagte ich, „im INSHARAM sei Normalfunk ein Ding der Unmöglichkeit?"
Tonko raufte sich den Sichelkamm. „Besser gesagt, aus den verstümmelten Fragmenten einer vielfach wiederholten Sendung konnten wir zumindest ein Mindestmaß an Informationen zusammensetzen. Bei der Sendung handelte es sich um einen Notruf. Die SOL befindet sich in größten Schwierigkeiten!" Die Wirklichkeit holte mich mit rasender Geschwindigkeit ein. „Was für ein Notfall?" fragte ich.
„Das konnten wir nicht entschlüsseln." Die Wirklichkeit hatte mich wieder voll im Griff. „Manövriere die Space-Jet aus der Sauerstoffblase zurück in den Ozean des INSHARAM", sagte ich,. „und nimm dann mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit, von 35 Knoten Fahrt Kurs auf die SOL!"
Arbtan! keifte der Logiksektor. Ich wagte nicht zu widersprechen. Er hatte Recht. Die Wirklichkeit hatte mich endgültig wieder eingeholt. Die Fahrtdauer zur etwa 400 Kilometer entfernten SOL betrug gut sechs Stunden. Und wer konnte schon sagen, was bis dahin alles geschehen würde?
ENDE
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