2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
wäre, jemand zu fragen, der Bescheid weiß. Will man aber eine verlässliche Prognose zur Zukunft der Welt in den kommenden 40 Jahren haben, dann wird es schwierig – es gibt nämlich keinen, der hier wirklich Bescheid weiß. Es gibt auch kaum jemand, der so tut, als wüsste er Bescheid. Wenn man obendrein noch darauf besteht, dass das Szenario vollständig und in sich stimmig sein soll, dann fällt mir jedenfalls niemand ein, an den man sich wenden könnte. Rezepte zu finden, wie sich die Welt entwickeln sollte, das ist relativ einfach – so etwa im Bericht Vision 2050 des Weltwirtschaftsrats für Nachhaltige Entwicklung (World Business Council for Sustainable Development – WBCSD), der genau darlegt, was zu tun ist, damit wir 2050 eine nachhaltige Welt bekommen. 1 Für die tatsächliche Entwicklung auf globaler Ebene aber kenne ich keine durchdachte Prognose bis zum Jahr 2052.
Es gab eine Zeit, da arbeiteten Forschungsgruppen an breit angelegten Computermodellen der globalen Entwicklung, mit dem Ziel, schlüssige Szenarien zur langfristigen Zukunft zu entwickeln. Das war aber ein kurzlebiger Trend, der seinen Höhepunkt in den 1970er- und 1980er-Jahren hatte und dann verschwand. 2 Heute sind globale Langzeitszenarien überwiegend auf Makroökonomie und Energie beschränkt, wobei man normalerweise nicht über den Zeithorizont 2030 hinausgeht und wichtige Variablen (wie Wachstum bei Bevölkerung und Produktivität) exogen bleiben. Natürlich gibt es zu bestimmten Zwecken globale Klimamodelle mit viel größeren Zeithorizonten; diese beziehen aber sozioökonomische Variablen nicht mit ein. Sektorale Perspektiven auf die globale Entwicklung sind also das beste verfügbare Angebot. Das vollständige Bild gibt es nicht.
Ebendies – dass es kein vollständiges Bild der Zukunft gibt – ist für mich wesentlicher Grund für Unsicherheit und Sorge. Ich habe lange Zeit in der Nachhaltigkeitsbewegung gearbeitet und Weltmodelle erstellt, deshalb weiß ich ziemlich genau, was man tun müsste, um im Jahr 2052 eine (meiner Meinung nach) attraktive Welt zu bekommen. Zugleich bin ich aber überzeugt, dass die Menschheit keineswegs das gesamte Arbeitsprogramm in Gang setzen wird, das genau hierfür notwendig ist. Die eigentliche Herausforderung besteht also in der Abschätzung, wie viel (oder wie wenig) von dem, was notwendig ist, tatsächlich umgesetzt wird.
Die Nachhaltigkeitsrevolution
Zum Glück ist es nicht schwer, von der materiellen globalen Entwicklung in den letzten 300 Jahren im großen Ganzen ein Bild zu skizzieren. Vor dem 18. Jahrhundert war die Erde dünn besiedelt, überwiegend landwirtschaftlich geprägt, mit sehr geringem Energieverbrauch. Es war – um in Schlagworten zu sprechen – eine von Sklaven, Pferden, Ochsen und etwas Brennholz angetriebene Welt. Mit der Einführung der kohlebetriebenen Dampfmaschine begann die Industrielle Revolution. Der Übergang ins Industriezeitalter war gekennzeichnet durch einen enormen Anstieg im Energieverbrauch. In den letzten 250 Jahren hat dieser Energieverbrauch die industrialisierten Länder reich an materiellen Gütern gemacht und den Massen ein etwas leichteres Leben beschert. Die weniger industrialisierten Länder der Gegenwart holen nun so schnell wie möglich auf. So wie China in jüngster Zeit hervorgetreten ist, illustriert es sehr anschaulich, was die Industrialisierung eines Landes bedeutet. Der Rest der Welt gibt sich alle Mühe, diesem Beispiel zu folgen.
Im Jahr 2052 wird die industrielle Revolution in den reichen Ländern abgeschlossen sein wie seinerzeit die Agrarrevolution. Die Überstellung von Arbeitern aus der Landwirtschaft an die Produktion wird ebenfalls abgeschlossen sein und die Arbeit wird sich weiter in die Bereiche Dienstleistung und Pflege verlagern. Nur noch wenige arbeiten dann in der eigentlichen Produktion. Von diesem Punkt an wird man sich vor allem um die stetige Verbesserung bei der Bereitstellung von Dienstleistung und Pflege für die allgemeine Bevölkerung kümmern.
Noch aus einem anderen Grund werden wir uns weniger als bisher auf die Industrialisierung konzentrieren. Tief in unseren Herzen wissen wir schon heute, dass im immerwährenden Wachstum des Pro-Kopf-Verbrauchs bei Nahrung und Produktionsgütern kein Mehr an Befriedigung zu gewinnen ist. Wenn der Mensch erst einmal satt ist und es warm, sicher und gemütlich hat, dann sucht er Befriedigung meist in eher abstrakten Bereichen. Immerwährendes Wachstum beim materiellen
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