2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
allerdings erst mit einiger Verzögerung. Zuerst diskutiert sie einige Zeit die Realität der Grenze – und expandiert während der Debatte weiter. Erst wenn die Grenze deutlich überschritten wurde, kann ihre Position klar bestimmt und die Grenzüberziehung gemessen und dokumentiert werden. Erst dann gewährt die Debatte Raum für eine unverbindliche Entscheidung zur Verlangsamung. Und während Debatte und Entscheidungen sich hinziehen, geht das Wachstum weiter und der Fußabdruck wird immer weniger nachhaltig.
Es braucht Zeit (Jahrzehnte?), um festzustellen und sich darauf zu einigen, dass das derzeitige globale Handeln in der Tat langfristig die Tragfähigkeit des Planeten überschreitet. Es braucht Zeit (Jahrzehnte?), bis die nationalen und globalen Institutionen die notwendigen Gesetze erlassen und dem Raubbau der globalen Ressourcen und ihrer Ökosysteme Einhalt gebieten. Und es braucht Zeit (Jahrzehnte?), diese Gesetze und die notwendigen Veränderungen vor Ort umzusetzen. Anders gesagt, das Wachsen des Fußabdrucks wird wohl erst aufhören, wenn die globalen Grenzen längst überschritten sind.
Die Botschaft »Grenzüberziehung aufgrund verzögerter Entscheidungen« von GdW stößt nicht auf breites Verständnis. Das war vor einer Generation nicht überraschend, denn 1972 (als der menschliche ökologische Fußabdruck etwa halb so groß war wie heute) wurde es als ziemlich undenkbar gesehen, dass sich die Weltgesellschaft erlauben würde, über die nachhaltige Tragfähigkeit des Planeten hinaus zu wachsen. Doch heute wissen wir mehr. Derzeit überschreitet der menschliche Anspruch an die Biosphäre die globale Biokapazität um etwa 40 Prozent. Die weltweiten Treibhausgasemissionen betragen das Doppelte der nachhaltigen Menge. Viele Fischereigewässer der Erde sind so stark überfischt, dass die kommerziellen Fischbestände stark zurückgegangen sind. Die tropischen Regenwälder werden nach wie vor gerodet. Die Welt des Jahres 2012 befindet sich im overshoot .
5. Ist die Grenzüberziehung erreicht, so ist Schrumpfung (contraction) unvermeidbar
Die Menschheit kann auf die Dauer nicht mehr physische Ressourcen verbrauchen und jedes Jahr mehr Emissionen erzeugen als die Natur geben beziehungsweise auf nachhaltige Weise absorbieren kann. Oder, anders gesagt: Der menschliche ökologische Fußabdruck kann nicht unendlich weiter wachsen, einfach weil der Planet Erde physische Grenzen hat. Grenzüberziehung ist ein temporäres Phänomen.
In jedem Fall von Grenzüberziehung muss die Menschheit wieder zur Nachhaltigkeit zurückkehren, entweder durch »gesteuerten Niedergang« oder durch »durch die Natur ausgelösten Zusammenbruch«, wobei Letzterer gänzlich durch »die Natur« oder »den Markt« verursacht wird. Ein Beispiel für gesteuerten Niedergang wäre, die jährlichen Fischfangmengen per Gesetz und durch die planmäßige Verschrottung von Fangschiffen und Zubehör auf ein nachhaltiges Maß zu begrenzen. Ein Beispiel für Zusammenbruch wäre die Eliminierung von Fischereiorten durch Konkurse aufgrund ausbleibender Einkünfte, weil die Fische verschwunden sind (oder, um genau zu sein, derart reduziert, dass es keinen Sinn mehr macht, den Fischfang fortzusetzen).
Einen Umweltkollaps großen Ausmaßes hat die Welt noch nicht erlebt. Es ist jedoch bereits einige Male zu lokaler Grenzüberziehung und darauf folgende Schrumpfung gekommen. Der bekannteste Fall eines »gesteuerten Niedergangs« ist die versuchte Eliminierung von Chemikalien, die Ozon zerstören, durch das Montrealer Protokoll von 1987, nach der Entdeckung, dass die Ozonschicht über Antarktika dünner wurde. Diese Maßnahme scheint zumindest insoweit von Erfolg gekrönt zu sein, als das Ozonloch nicht mehr wächst. Das bekannteste Beispiel für einen »Zusammenbruch« ist der Zusammenbruch der kanadischen Kabeljau-Fischerei nach 1992. Hier ist die Lage weniger hoffnungsvoll: Der Fischbestand hat sich nach zwei Jahrzehnten ohne Fischfang noch nicht erholt.
Manche halten Schrumpfung – erzwungen oder geplant – lediglich für ein normales Element im Prozess des wirtschaftlichen Wachstums und somit für unbedenklich. Dieser Ansicht nach sind Grenzüberziehung und Kontraktion einfach nur ein Prozess, in dem eine Ressource durch eine andere ersetzt wird; oder, allgemeiner gesagt, eine Technik macht einfach der nächsten Platz. Diese Meinung ist vertretbar, falls der Wandel reibungslos verläuft, das heißt ohne einen temporären Niedergang des
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