2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
des GdW -World3-Computermodells von 1972 gefolgt war. 8 Und erst in diesem Jahr (2012) krönte die angesehene Zeitschrift New Scientist diesen Prozess, indem sie die Geschichte des Falls und Wiederaufstiegs von GdW einem breiteren wissenschaftlichen Publikum präsentierte. 9
Allerdings wies nur der New Scientist auf den Zusammenhang zwischen verzögerter Reaktion der Gesellschaft und dem Risiko von Grenzüberziehung und Zusammenbruch hin; oder, anders gesagt, langes Hinausschieben erschwert das Streben nach nachhaltiger Entwicklung beträchtlich, weil der Weg dadurch tendenziell immer steiniger wird.
Nachhaltige Entwicklung hat sich in den vergangenen 25 Jahren als ein gutes politisches Zugpferd etabliert, da dieser Begriff ein Ziel vorgibt, aber dennoch Raum für alle möglichen Strategien lässt. Doch genau darin liegt seine Schwäche: Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist nicht besonders hilfreich dabei, einem zu sagen, was als Nächstes zu tun ist. Deshalb schlage ich vor, jeder und jede Einzelne sollte, anstatt für nachhaltige Entwicklung zu arbeiten, besser dafür arbeiten, Nicht-Nachhaltigkeit zu vermeiden . Das geschieht am besten, indem jeder und jede Einzelne eine Nicht-Nachhaltigkeit nach der anderen identifiziert und beseitigt.
Beginnen sollte man mit dem am wenigsten nachhaltigen Element seiner Umgebung – das heißt, ausfindig machen, was einem als Erstes ins Gesicht schlägt, wenn man seine Lebensweise nicht verändert. Das könnte bedeuten, mit der Reduzierung von Klimagasemissionen zu beginnen, bevor man als Klimasünder in der Lokalzeitung steht, oder den Benzin- und Heizölverbrauch zu verringern, ehe man nicht mehr in der Lage ist, die Rechnungen dafür zu bezahlen, oder zu einer anderen Kaffeemarke zu wechseln, wenn bekannt wird, dass die bisherige von einer Plantage kommt, auf der Löhne bezahlt werden, die die Lebenshaltung nicht decken. Das ist nachhaltige Entwicklung in der Praxis.
Es ist wichtig, den Verhaltensmodus von Grenzüberziehung und Zusammenbruch zu verstehen, denn er signalisiert, dass etwas nicht-nachhaltig ist. Mit seinem Buch Collapse machte Jared Diamond den zweiten Teil – den Zusammenbruch – sehr bekannt. 10 Doch der Kern des Problems aus politischer Sicht findet sich im ersten Teil des Verhaltensmodus: im Wachstum bis zur Grenzüberziehung; in den Systemen und Strategien, die es erlauben, die Expansion über ein nachhaltiges Maß hinaus zu treiben – in ein Wachstum jenseits der Tragfähigkeit.
Das Konzept von Grenzüberziehung und Zusammenbruch wird eher von Natur- und insbesondere Biowissenschaftlern erfasst und übernommen, die über praktische Erfahrung mit den Dynamiken natürlicher Systeme verfügen. Sie wissen, dass Tierpopulationen routinemäßig ihr Nahrungsangebot übernutzen und dann hungern und in diesem Prozess sogar manchmal das Nahrungsangebot zerstören. Sie wissen ferner, dass sich das Nahrungsangebot erholen muss, bevor diese Tierpopulationen wieder aufleben können. Man stelle sich etwa eine Herde Rotwild vor, die auf einer endlichen Hochebene ohne Wölfe oder andere Raubtiere lebt, welche die Populationsgröße stabil halten. Die Anzahl der Tiere würde zunehmen, so lange genügend Nahrung vorhanden wäre. Schließlich würde eine letzte Welle von Jungtieren gerade so viel Beweidungsdruck hinzufügen, dass die Herde das noch verfügbare Weideland aufbrauchte und zertrampelte.
Für Menschen, die mit der Analogie einverstanden sind, dass wir uns wie die Rotwildherde in diesem Szenario benehmen, sind die politischen Folgen offensichtlich: Es ist wichtig, die Tragfähigkeit seiner Umwelt zu kennen. Es ist wichtig zu wissen, was die Expansion in diese Umwelt hinein antreibt. Es ist wichtig zu vermeiden, seiner Umwelt eine Last aufzuerlegen, die deren Tragfähigkeit überschreitet. Denn wenn man das tut, kann es sein, dass man das Regenerationsvermögen zerstört – vorübergehend oder im schlimmsten Fall für immer. Um eine unbeabsichtigte Grenzüberziehung zu vermeiden, ist es von Bedeutung, Weitblick zu zeigen und rechtzeitig zu handeln. Andernfalls erhöht man das Risiko der Nicht-Nachhaltigkeit.
Betrachten wir diese Argumentation im Folgenden in sechs detaillierten Schritten. 11
1. Die Menschheit hat einen ökologischen Fußabdruck
Der menschliche ökologische Fußabdruck ist eine Maßeinheit für die Belastung, die der Mensch auf die physische Umwelt ausübt. Er ist ein breit gefasstes Konzept und beinhaltet im Prinzip alle
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