2059 - Die Astronautische Revolution
seiner Kindheit, der irre Tyrann, der im feuchten Keller hauste.
Aber trat das nicht auch auf ihn zu? Hatte ihm Ydene, seine Mutter, das nicht schon am Sommerhügel prophezeit, wenn er ihr von seiner „Berufung" vorgeschwärmt hatte? „Du wirst uns alle noch ins Unglück stürzen, Ruben Caldro gyn!" Nun, zumindest hatte er rechtzeitig die Handbremse gezogen. Und die experimentellen NTPs, die Elonkun in seinem Körper freigesetzt hatte, schienen zumindest mittelfristig keine unangenehmen Nebenwirkungen zu entfalten - mit der einen Ausnahme, dass er, seit er von den Neuro-Transmutern in seinem Körper wusste, zur Hypochondrie neigte und bei jedem kleinen Wehwehchen Carnial, seine Patamedikerin, aufsuchte, die ihn schon dafür verspottete. Aber damit konnte er leben.
An der Akademie lief alles im gewohnten Trott.
Die Quartalskonferenz der Hohen Lehrer zog sich wie immer fad und ereignislos dahin. Alle rühmten mehr oder weniger verhohlen ihre eigenen Erfolge in Fortschritt und Lehre, lobten den Eifer derjenigen Studenten, die sie protegieren wollten, und beklagten sich über die harmlosen Streiche derer, die ihnen nicht zu Gesicht standen.
Ruben war es, der am Ende der Sitzung für eine Überraschung sorgte. Als Dirmel Uganker, der in Abwesenheit des Obersten Lehrers den Vorsitz führte, wie jedes Mal seinen mittlerweile sprichwörtlichen Satz „Im übrigen bin ich der Mei nung, der verschollene Vismar Elonkun sollte seines Amtes enthoben werden!" theatralisch in den Saal schmetterte, während die anderen bereits gähnend ihre Unterlagen verstauten, stand Ruben auf und applaudierte frenetisch.
Staunende Augen- und Ohrenpaare wandten sich ihm zu. Jeder und jede im Gremium wusste, dass Dirmel seit Ewigkeiten auf das Amt des Obersten Lehrers scharf war, es aber trotz seines einflussreichen Urururgroßvaters nicht ergattern konnte, solange der allseits verehrte Vismar Elonkun nicht zurücktrat oder offiziell für tot erklärt wurde. „Ich unterstütze den Antrag des verdienten Kollegen Uganker!" sagte Ruben in die verblüffte Stille hinein. „Die Ta shun-Reba-Akademie braucht endlich wieder einen Leiter, der ihre Geschicke aktiv in die Hand nimmt." Ein Raunen ging durch die Runde der Hohen Lehrer, das sich steigerte, als Ruben ungerührt fortfuhr: „Und deshalb schlage ich als neuen Obersten Lehrer jene Person aus unserem Kreis vor ...", er winkte dem dicken Dirmel kumpelhaft mit den Lappfingern zu, „... die zweifellos das höchste Ansehen sowohl bei den Leh rern als auch den Studenten genießt: mich selbst."
Das siegessichere Grinsen fiel von Dirmel Ugankers aufgedunsenem, fettigem Gesicht ab wie eine überreife Geigenfrucht. Verständnislos glotzte er um sich. „Aber ... aber ich ..."
„Wollen wir gleich zur Abstimmung schreiten, meine hochverehrten Damen und Herren?" fragte Ruben. „Wer dafür ist, hebe bitte die Läppchen." Es gab nur eine Enthaltung und eine Gegenstimme. Die Enthaltung kam von Ruben selbst; auch wer dagegen stimmen würde, war ziemlich klar gewesen.
Nachdem die Gratulationen vorbei und die Hymnen der Akademie und des Dominanten Rates, dem Ruben ab sofort angehören würde, kläglich Misstönend wie immer abgesungen waren, zog Carnial Bo Heed, die Patamedikerin, Ruben in ein angrenzendes Zimmer. „Bei den Rittern, Caldrogyn - welch ein Paukenschlag! Sag: Hast du zuviel Trinkzucker geschlabbert? Oder was ist in dich gefahren? „Stimmt es vielleicht nicht, was ich ge sagt habe?"
„Selbstverständlich stimmt es. Und du bist auch der mit Abstand Geeignetste, gar keine Frage. Aber dass du es plötzlich wagst, dich mit den Ugankers anzulegen ... Du hättest Dirmels Gesicht sehen sollen! Wenn Läppchen töten könnten ...!"
„Aber nein! Sambarkin intrigieren vielleicht, doch sie morden nicht."
„Jedenfalls hast du dir heute einen Todfeind gemacht, Ruben. Warum ausge rechnet jetzt?"
„Warum nicht? Oder sagen wir so: Vielleicht brauche ich einfach ein neues Hobby?" Carnials Ohren standen auf Bewunderndes Unverständnis, noch lange nachdem Ruben um die Ecke gebogen war.
Yos'Erlock war ein schwierigeres Ka pitel. Rubens Versuch, dem Berku'Tama nach einem Haarball-Spiel, das dieser wie immer klar für sich entschieden hatte, möglichst schonend beizubringen, dass seine Schachtel sehr wohl historische Daten enthalten und Ruben ihn also belogen hatte - Elonkun war nie erwähnt worden -, lief völlig schief. Erlocks Temperament ging mit ihm durch. Die offen sichtbar über seinen
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