2059 - Die Astronautische Revolution
Knochenschädel verlaufenden dunkelroten Gesichtsmuskeln verkrampften sich zu einer wütenden Grimasse. Viel fehlte nicht, und er hätte Ruben mit dem Haarball-Schläger attackiert. Stattdessen zerdrosch er mehrere Umkleide-Verschläge. Auch Rubens Versicherung, dem Berku'Tama die hohe Summe an Rathi schen Sons, die er für die Schachtel ausgegeben hatte, unverzüglich zu ersetzen und ihm ehebaldigst das Artefakt samt Übersetzung zu übergeben, fruchtete nicht. Das war das Ende ihrer Haarball-Partien und ihrer Freundschaft.
Kurz nach Ferienbeginn suchte er erstmals wieder seine Heimatschule auf. Ydene war außer sich vor Freude, tat ihr möglichstes, ihn zu verwöhnen, kochte zu jeder Mahlzeit ein anderes Lieblingsgericht seiner Kindheit. Anfangs genoss Ruben es, weit weg von Kozmo Yessik zu sein, in der beschaulichen, langsamen Welt der Schnitzerschule. Alles wirkte viel kleiner und unwichtiger als in seiner Erinnerung: die Schmerzpalmen, die Distanz zum Kargen Tal, das an den Hang geschmiegte Gebäude, in dem sich der früher so verhasste Turnsaal befand. Sein Zimmer war geradezu eine Puppenstube!
Ydene hatte es so bewahrt, wie er es verlassen hatte. Viele Kilo-Hiddyn lang kramten sie in Rubens alten Spielsachen und Schularbeiten. „Du warst immer schon ein Wunderknabe, das haben alle gesagt, trotz deiner Aufmüpfigkeit - aber dass du einmal hierher zurückkehren würdest als Oberster Lehrer von Tashun-Reba! Das hätte wirklich niemand geglaubt, nicht einmal ich!" Selbst als sie später wieder ihre Einsamkeit zu beklagen anfing, wie es in jedem ihrer regelmäßigen Holo-Gespräche unausweichlich geschehen war, wimmelte er sie nicht ab wie sonst, sondern hörte ihrem Lamento geduldig, ja sogar ehrlich interessiert zu: Dass Hajita, die Kerr-Winnuck-Lehrerin, einen eigenen Klan aufgebaut hatte, der mit allen Kindern und Kindeskindern bereits in die Hunderte zählte, während Ruben ihr, seiner armen, ohnehin völlig alleinstehenden Mutter, noch kein einziges Enkelkind beschert hatte. Dass sie, Ydene, zwar keine materielle Not litt, aber die Sinnlosigkeit ihrer Existenz sie bedrückte, denn die Schnitzerei lag ihr nicht besonders und für ihre Talente als Bardin gab es hier, in der Abgeschiedenheit des Sommerhügels, einfach nicht das richtige Publikum.
Und natürlich: dass sein Lump von Erzeuger wohl nie mehr die bescheidene Größe zeigen würde, sich nach seinem Sprössling wenigstens zu erkundigen! „Ach Mhamshi, das ist doch nun wirklich Vergangenheit und hat keine Bedeutung mehr für uns." Ruben tätschelte tröstend ihre Hände. So nahe waren sie einander schon sehr lange nicht mehr gewesen, vielleicht noch nie ... Er sog die würzige, nach Fasernüssen und Süßholz schmeckende Luft tief in seine Lungen. Es war, als vergönne ihm das Schicksal eine letzte Atempause, einige wenige Momente des unbeschwerten Glücks, der ahnungslosen Zufriedenheit. ,Vorsichtig, um die harmonische Stimmung nicht zu zerstören, begann er sie näher über seinen leiblichen Vater auszufragen, Sie antwortete erst stockend, doch dann immer bereitwilliger, bis der Damm brach und es förmlich aus ihr heraussprudelte.
Er war ein Reisender, ein Sambarkin, klar, doch von einem fernen Sonnensystem, dessen Namen niemand in der Schule kannte. Er interessiere sich sehr für die Kultur seiner Vorfahren, erklärte er, wollte auch länger auf Yezzikan Rimba bleiben, um sich in die Geschichte des Planeten zu vertiefen, und habe den Sommerhügel aufgesucht, weil er die berühmten Schnitzkünstler persönlich kennenlernen und bei der Arbeit bewundern wollte. Das ging ihnen allen natürlich hinunter wie Frühlingsbaum-Honig!
Überhaupt war er ein großer Charmeur, weit über hundert Domm älter als sie, doch sehr jugendlich wirkend und so einfühlsam! Oder zumindest tat er damals so. Dass sie ein Findelkind war, ohne Klan, und im Haus der Alten Frauen hatte aufwachsen müssen, bevor sie vor kurzem, anlässlich ihrer Volljährigkeit, in dieses Häuschen umgezogen war, schien ihn sehr zu berühren. Die Zeit der Mondfeuer stand an und der Debütantinnenball der Schule, an dem die Klanvorstände ihre in diesem Damm erwachsen. gewordenen Töchter zum Ersten Tanz führten. Rebar, so war sein Name, machte sich erbötig, für sie den Klanvorstand zu spielen: Das sei zwar unüblich, doch allemal besser, als am Arm eines der alten Weiber in den Festsaal zu schreiten, scherzte er.
Sie willigte freudig ein, und als der Erste Tanz vorüber war, hatte sie
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