2064 - Krisenfall Karthago
erscheinenden Zuckungen der DNA-Sequenzen wohnte seiner Bewegung ein bestimmtes Maß an Zielstrebigkeit inne, verstärkt durch den eingeschalteten Zeitraffer. Es bewegte sich auf das Gen mit der höchsten Kompatibilität zu und dockte an. „Es ist das Todesurteil für den Jungen", flüsterte Themin-Thak. Seine Stimme klang eher begeistert als bedrückt. „Wir haben zur richtigen Zeit mit dem Experiment begonnen. Welche Chance!" Zheobitts Blick wanderte zwischen dem Hologramm und dem Syntron auf seinem Handrücken hin und her. Die Oberflächenspannung des Transposons nahm permanent zu, erreichte am Ende einer steilen Kurve die Höchstmarke, fiel danach abrupt ab und schnellte zurück zur Höchstmarke. „Substantieller Transfer." Triumph lag in der Stimme des Laktroteii-Aspiranten. „Das Transposon tauscht seine eigene Basenabfolge gegen eine gleichwertige des befallenen Gens aus."
Das betroffene Gen zeichnete für die Zellsteuerung des menschlichen Körpers verantwortlich. Und es übertrug seine veränderten Informationen an alle anderen DNA-Sequenzen, die ebenfalls damit zu tun hatten. In Sekundenschnelle entstanden Kopien der Falschinformation, trugen sie weiter und folgten dem tödlichen Programm, als gehörte es zu ihrem alltäglichen Tun. Die Wirkung war verheerend. Und nicht zu stoppen... Noch merkte der Monochrom-Mutant nicht, was in ihm vorging. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Scan, und irgend wann dauerte er ihm zu lange. „Ich bin hungrig", hörten sie ihn hinter dem energetischen Sichtschutz sagen. „Könnt ihr nicht morgen weitermachen?"
„Morgen ist es zu spät. Gib uns noch eine halbe Stunde!"
„Na gut. Aber dann ist Schluss."
„Ja, dann ist Schluss."
Zheobitt sagte es ohne jeden Zynismus. Es war die Wahrheit, aber der Junge verstand den Doppelsinn seiner Worte nicht. Der Ara hörte, wie sich der Monochrom-Mutant auf seiner Liege bewegte und seinen Körper entspannte. Der Einschätzung des Galaktischen Mediziners nach dauerte es höchstens eine Viertelstunde, bis die ersten schweren Symptome in Erscheinung traten. Danach ging es ziemlich schnell, wie er nach den bisherigen Informationen wusste. „Ultraenergetisches Raster aktivieren!" wies er den Syntron an. Der Einsatz War verboten, ohne zuvor die Zustimmung des Patienten einzuholen. Die Strahlungsdosis war einfach zu hoch. Sie beschleunigte die Fehlentwicklung in der Zellsteuerung zusätzlich, förderte den Zersetzungsprozess. Aber die Begleiter des Galaktischen Mediziners hatten den Syntron inzwischen so getrimmt, dass er die Anweisung widerspruchslos ausführte. „He!" machte der Junge, dessen Name ganz oben auf dem Hologramm stand: Bryan Parana. „Was ist das? Mir wird ganz heiß!"
„Ein subjektiver Eindruck, der täuscht", machte Zheobitt ihm weis. „Wir führen den Scan auf dem üblichen Energielevel durch."
Der Jungmutant seufzte. Der Gedanke an die Rettung vor dem sicheren Tod ließ es ihn geduldig ertragen. Nach vierzehn Minuten projizierte der Syntron ein Lichtsignal in das Hologramm und markierte die Stelle des Körpers, wo es anfing. Die linke, obere Herzkammer. Bei achtzig Prozent aller Fälle von Zersetzung der lebenswichtigen Organe hatte es in der linken, oberen Herzkammer angefangen. Der Syntron schaltete automatisch die unterstützenden Mikroprallfelder ein. Sie umfingen die Organe unsichtbar und hielten das Gewebe zusammen. Unmerklich für den Patienten stimulierten niederfrequente Elektroschocks die Tätigkeit des Muskelgewebes. Der Junge fing an zu wimmern. „Mein Kreislauf streikt. Was ist los?"
„Es ist gleich vorbei. Schildere deine Eindrücke und Empfindungen!" rief Themin-Thak ihm zu. „Alles wird blutrot, ich sehe nur noch verschwommen. Starkes Kopfweh. Stechende Schmerzen in der Brust ..."
„Ein paar Augenblicke noch!" Zheobitt beobachtete das farbenfrohe Schauspiel auf dem Ultraschallraster-Hologramm. Er wusste, dass kein Terraner ihn verstehen würde - aber er verspürte Triumph. „Versuche, gleichmäßig zu atmen" Der Junge besaß einen eisernen Willen. Es gelang ihm, den Atem zu stabilisieren. Die Prallfelder verhinderten, dass sich die Lunge mit Blut füllte. Sein Puls beschleunigte sich rasend schnell. Der Mutant begriff jetzt, was mit ihm vorging. Noch kämpfte er. Je länger er durchhielt, desto ergiebiger verlief der Scan. „Eiswasser-Dusche!" wies Zheobitt die Medoroboter an. Sie übergossen den nackten Körper mit kaltem Wasser. Er reagierte, als habe er einen
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