2064 - Krisenfall Karthago
in ein anderes Chromosom einzufügen. Äußerlich unterschied sich das Gen nicht vom Original. Die Abweichungen lagen im Innern seiner Molekularstruktur verborgen und waren nur beim gezielten Positions-Struktur-Scan zu erkennen. Es handelte sich um eine bewusste Veränderung, eine Manipulation durch die Genetiker des Monos, der einst die Milchstraße unterjocht hatte. Sie hatten das Gen für ihre Zwecke verändert, winzige Eingriffe vorgenommen und zwischen den originalen DNA-Sequenzen versteckt. Der Eingriff war als Sicherung gedacht und sorgte bei einer Aktivierung der Parafähigkeiten für eine Begrenzung der Lebensspanne. Bei einer möglichen Vermehrung der Para-Klone untereinander sollte verhindert werden, dass Monos eines Tages einer Rasse von Supergegnern gegenüberstand.
Die genetische Sperre wurde mit dem Ende des menschlichen Wachstums und dem Einsetzen des Alterungsprozesses wirksam. Sie unterlag jedoch teilweise zufallsbedingten Deformationen, die eine präzise Aussage über den genauen Zeitpunkt der Aktivierung unmöglich machten. Mal geschah es früher, mal später. Die Monochrom-Mutanten waren Nachfahren jener modifizierten Menschen, die auf dem Planeten Horrikos gezüchtet worden waren und sich nach dem Ende der Monos-Diktatur auf die verschiedensten Planeten verteilt hatten. Die Jungmutanten als letztes Glied in der Kette konnten keine Nachkommen zeugen, und ihre Lebensspanne neigte sich dem Ende zu.
Zheobitt gestand sich ein, dass er eine solche Manipulation auch nicht besser hätte bewerkstelligen können. Die Monos-Genetiker hatten in starkem Maß auf Erkenntnisse der Aras zurückgegriffen; anders konnte es auch gar nicht sein. Doktor Buckley hatte Transposon 78.400 als „Tarnkappen-Gen" bezeichnet.
Einmal aktiviert, spaltete es sich auf. DNA-Abschnitte lagerten sich um und änderten ihren Informationsgehalt. Das Gen erhielt eine davor nicht vorhandene Kompatibilität zu anderen, definierten Genen. Wenn bestimmte Paragene, also jene Bausteine, die die Psi-Fähigkeiten hervorriefen, genetisch aktiv waren, dockte zu einem bestimmten Zeitpunkt das Tarnkappen-Gen an das Gen mit der höchsten Kompatibilität an. Zunächst geschah nichts.
Dann jedoch veränderte sich das zunächst harmlose Transposon. Seine Oberflächenspannung nahm ab, es versank zu achtzig Prozent in einen Zustand der Passivität. Der Vorgang wirkte als eine Art Initialzündung. Die veränderten Strukturen in seinem Innern erwachten. Sie übernahmen die Kontrolle über das kompatible Gen und lösten gezielte Reaktionen aus. Die Mutanten starben, einer nach dem anderen. Höchst selten gab es mehrere Todesfälle zum selben Zeitpunkt. Deshalb war die Todeswelle lange Zeit niemandem aufgefallen; sie hatten sich auf einen gewissen Zeitraum und vor allem auf zahlreiche Planeten verteilt. Aber die Lawine rollte bereits. Der Internist hatte auch hier die Zusammenhänge entdeckt und dokumentiert. Seine Untersuchungen wiesen den Weg, den der Ara gehen musste. Es erleichterte ihm die Vorbereitungen, nicht jedoch die eigentliche Arbeit.
Die Aufzeichnungen seiner Artgenossen waren mindestens genauso wichtig. Aras waren es gewesen, die damals in der MonosÄra die genetischen Manipulationen vorgenommen hatten. Außer den Galaktischen Medizinern wäre niemand in der Milchstraße dazu in der Lage gewesen. Zheobitt kannte die Inhalte der alten Speicherkristalle fast komplett auswendig. Ihre Kenntnis hatte ihn dazu angespornt, seine Laufbahn entsprechend zu gestalten. Die Mantar-Heiler waren auf ihn aufmerksam geworden und hatten ihm die scheinbar unlösbare Aufgabe gestellt. Inwieweit sich das historische Datenmaterial für einen Lösungsansatz eignete, musste er erst noch herausfinden. „Wir beginnen mit den Untersuchungen", wies der Ara seine Artgenossen an. „Bringt den vorlauten Jungen ins Labor!"
Das Hologramm füllte die Hälfte des Labors aus. Der Steuersyntron verstärkte die Darstellung elektronisch, so dass die Zuschauer den Eindruck erhielten, als beobachteten sie verschiedenfarbige Bauklötze bei ihrer Wanderung durch ein Druckluftlabyrinth. Zheobitts Stirn und Wangen glühten vor Erregung.
Seine mit jeweils 180 mikroskopisch feinen Laserlampen ausgestatteten Augäpfel leuchteten in grellem Hellrot. Mühsam unterdrückte er den Impuls, den Bereich auf dieser Seite des Sichtschutzes zu verlassen. Das Transposon war bereits aktiv. Es wanderte von seiner bisherigen Position an ein noch unbekanntes Ziel. In den teilweise irregulär
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