2067 - Angriffsziel Terra
lassen.
Mit halber Lichtgeschwindigkeit rasten die Überreste des Frachters der Doppelsonne entgegen und würden in dem kleineren Stern verglühen, Für drei Fragmente zeigte die Simulation, dass sie die Sonne nur tangieren und als Vagabunden in Weltraumtiefen verschwinden würden. Mit einer größten Annäherung an Topsid von weniger als fünfhunderttausend Kilometern war das nach kosmischen Maßstäben eine „Beinahe-Kollision". Verborgen zwischen einigen tausend Tonnen' Stahl, würde die Space-Jet hof fentlich unbemerkt in den Ortungsschutz der Sonnenkorona gelangen. Dim Ramien fragte sich, ob der gewaltige Aufmarsch der Arkoniden womöglich nur eine Drohgebärde darstellte. Vielleicht einen Versuch, Terras Flotte im Heimatsystem zu binden. Eine Reihe bedeutender Liga-Welten konnte dann zur leichten Beute werden. Die Erde ihrer Kolonien zu berauben wäre eine Taktik der Nadelstiche, die Terra über kurz oder lang isolierte und quasi aushungerte.
Andererseits hatte SEELENQUELL mit der Übernahme Arkons zugleich die Probleme des Kristallimperiums geerbt. Die Zahl der Welten mit unzufriedener Bevölkerung ging in die Hunderte. Ohne stete militärische Präsenz waren diese Planeten auf Dauer nicht zu halten. Die 380.000 vor Topsid zusammengezogenen Kampfraumer entsprachen etwa drei Vierteln der einsatzbereiten arkonidischen Kampfflotte. Man beschnitt also andernorts Präsenzen, deren Ausdünnung kaum weniger unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen konnte, als dies für die LFT galt.
SEELENQUELL nahm solche Folgen garantiert nicht ohne anderweitigen Vorteil in Kauf. Fünfzehn Planeten umliefen den weißen Hauptstern, sechs seinen violetten Begleiter, sechs umkreisten beide Sonnen, darunter Topsid, der wichtigste Planet des Systems. Die Wrackstücke hatten längst die Bahnen der äußeren Welten Überquert und rasten mit unmerklich steigender Geschwindigkeit zwischen den Schiffspulks hindurch.
Dreißig Minuten lang hallte das Stakkato der hörbar gemachten Ortungsimpulse durch die Jet und zerrte an den Nerven. Milbur Kane hatte seinen Uniformkragen hochgeschlagen und am Hals zusammengezogen. In seinem dichten Schnauzbart begannen kleine Eiszapfen zu wachsen. Die Temperatur war um weitere zwei Grad gesunken. Der Feuerschlag eines Großkampfschiffs kam überraschend. Kane gurgelte nur noch, als die Optiken eine Salve meterdicker Impulsbündel wie Wetterleuchten wiedergaben und zwei der größten Wrackstücke in irrlichterndem Feuerschein auseinanderbrachen. Ein zweites großes Schiff begann zu feuern. „Bereitet euch darauf vor, Energie in den Paratron und den Metagrav zu pumpen!" kommandierte Dim Ramien. „Notmanöver vorbereiten!" Man musste kein Hellseher sein, um die Chancen der Space-Jet richtig einzuschätzen. Aber jeder an Bord hatte gewusst, dass die Mission geradewegs in die Hölle führte.
Im Salventakt feuerten die Thermogeschütze - ein deutliches Anzeichen, dass die Arkoniden ebenso unter der Anspannung litten. „Das gibt Unannehmlichkeiten." Was Ramien salopp als Unannehmlichkeiten bezeichnete, war weniger euphemistisch die Vernichtung der IB-SJ 50.
„Wenn wir schon draufgehen, warum fliegen wir nicht wenigstens Kollisionskurs? Das dürfte dann eine nette kleine Explosion ..." Kane verstummte, weil in dem Moment das Tontaubenschießen aufhörte.
In Gedanken zählte der Ortungsoffizier die nächsten Sekunden. Keine neue Salve schlug ein. Die Distanz zu den Schlachtschiffen der Tender-Klasse vergrößerte sich wieder. Kane warf einen flüchtigen Blick auf sein Armbandchronometer. 18.08 Uhr am 24. Januar 1304 NGZ - sofern er die nächsten Minuten überlebte, konnte er das Datum im kommenden Jahr vielleicht als seinen zweiten Geburtstag feiern. Er sträubte sich nicht gegen den Wachtraum, der ihm die berauschende Illusion vermittelte, eine blauhäutige Schönheit im Arm zu halten. Es war verführerisch, die Gedanken treiben zu lassen. Verglichen mit den über seinen Leib wandernden zarten Händen und der samtweichen Berührung fremder Haut, waren die arkonidischen Schlachtschiffe eine krasse Blasphemie. Aber sie waren Realität.
Als Milbur Kane aus dem nur wenige Augenblicke währenden seligen Dämmerzustand in die kalte Gegenwart zurückfiel, hätte er sich mit seinen halb gemurmelten Verwünschungen mühelos für jeden Seelenverkäufer profiliert. „Warum haben wir sie nicht geschlagen, als wir die Möglichkeit dazu hatten?" fragte er unvermittelt. „Wen?"
„Die Arkoniden. Und nach ihnen
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