207 - Weg eines Gottes
Befriedigung zu, wie die Lava den Hang herunter strömte und die ersten Häuser umfloss. Eine junge Primärrassenvertreterin, die ihr Junges in einem bunten Wickeltuch trug, wurde davon überrascht. Ihre schrillen Schreie endeten abrupt, als sie neutralisiert wurden. Plötzlich wimmelte die Stadt von Bio-Einheiten, die kreuz und quer liefen und sich in Sicherheit zu bringen versuchten, obwohl sie sich gar nicht im direkten Einzugsbereich der Lava befanden. Sie reagierten so unlogisch und emotional wie eh und je.
Einige Zeit später ließ der Strom urplötzlich nach. Stattdessen füllten sich zwei seitwärts über den Berg laufende Gräben.
(Mombassa hat es also geschafft. Ich habe nichts anderes von ihm erwartet), meldete sich der Namenlose.
(Ja. In der Tat. Aber wenn Yao bei dieser Aktion umgekommen ist, bestrafe ich ihn schwer.)
Aus dem Mais schob sich ein »dampfendes Ungeheuer« auf vier Rädern. So jedenfalls nannte es Mongoo.
(Ein Truck! Das Ding sieht aus wie ein Truck), stellte Mul’hal’waak mit einer gewissen Verblüffung fest. Aus seiner gemeinsamen Zeit mit Mooris’pulajn wusste der Daa’mure, was ein Truck war.
Mooris’pulajn… wie viele Umläufe lag diese Begegnung nun schon zurück? Die Ereignisse von damals tauchten wieder lebhaft in seiner ontologisch-mentalen Substanz auf.
***
Rifgebirge, Marokko, 8. Februar 2012
Der Tag der Katastrophe
Der neunjährige Habib sprang behände aus dem Führerhaus des schweren russischen Kamas-Trucks. Er schlang seine Arme um Maurice Poulains schmale Hüften, drückte ihn fest und schaute ihn von unten herauf aus seinem kaffeebraunen Lausbubengesicht an.
»Papa, glaubst du, dass der Monsterbrocken aus dem Weltall so groß ist wie der Berg da oben?« Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf einen besonders schroffen Felsen, der wie ein mächtiges Ungeheuer hoch über der kleinen Rifkabylen-Siedlung thronte. »Die haben gesagt, dass er acht Kilometer breit ist. Sind das acht Kilometer?«
Der zweiundvierzigjährige Franzose grinste. »Acht Kilometer, was? So ein Blödsinn.« Er deutete mit dem Kopf nach oben. »Pass mal auf, Sohn. Das Steinchen da ist vielleicht zweihundert Meter breit. Um auf acht Kilometer zu kommen, müsstest du vierzig davon aneinander legen.«
Habib sah ihn aus großen Augen an. »Vierzig«, flüsterte er, ohne sich auch nur annähernd eine Vorstellung machen zu können, was das bedeutete.
»Ja, vierzig. Du siehst, dass die im Radio wirklich absoluten Unsinn reden. Jetzt verrate ich dir mal was, Sohn. Ich habe dir doch neulich ein Bild vom Nanga Parbat gezeigt. Erinnerst du dich?«
»Ja.« Habib nickte gewichtig. »Der hat bis in die Wolken reingereicht und war von oben bis unten mit Schnee bedeckt.«
»Genau. Das ist einer von den zehn höchsten Bergen auf der Erde und über acht Kilometer hoch. Kannst du dir vorstellen, dass ein Komet, der so riesig wie der Nanga Parbat ist, auf die Erde fällt? Ich jedenfalls nicht.«
Habib schwieg beeindruckt. Und sein Vater setzte noch einen drauf. »Die Medien verarschen uns doch alle. So wie sie das immer machen. Aber uns können sie nicht verarschen, Sohn, was? Dazu sind wir viel zu schlau.«
Der Junge lächelte. »Ja, Papa, wir sind schlau. Uns können die nicht verarschen.«
Ganz kurz schweiften Poulains Blicke über die schroffen, steilen, unwegsamen Klippen, die den westlichen Rand des marokkanischen Rifgebirges bildeten und das Dorf der Harat von allen Seiten einschlossen. Er drückte seinen Nachwuchs nun seinerseits an sich. »Mach dir also keine Sorgen, Sohn«, fuhr er fort. »Du wirst sehen, dass ›Christopher-Floyd‹ im letzten Moment doch noch an der Erde vorbeifliegt. Und wenn nicht, dann kommt da höchstens ein kleines Steinchen runter.«
»Wirklich?«
»Natürlich, Sohn. Oder habe ich dir schon mal Mist erzählt?« Maurice sah zu seiner Frau hinüber. Er liebte sie so sehr wie Habib. Die stolze, hoch gewachsene, überaus hübsche Senegalesin im bodenlangen, pinkfarbenen Gewand hockte vor dem Mini-Grill und bereitete Yassa Poulet zu. Sie beherrschte mehrere Varianten des traditionellen senegalesischen Fleischgerichts.
Habib löste sich von seinem Vater und rannte zu Medior. »Mama, Mama, Papa hat gesagt, dass das mit dem Kometen nicht so schlimm wird. Ich glaube, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen.« Er hängte sich an ihren Hals. Dabei riss er sie um. Beide plumpsten zu Boden.
Die Senegalesin lächelte und knuffte ihren Sohn in den Bauch. »Natürlich müssen wir
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