207 - Weg eines Gottes
glühendes Ei, mit Kristallen bestückt.
Das alles sah er im Bruchteil einer Sekunde. Bevor sich das Bild verzerrte, bevor reiner Schmerz Gestalt annahm und die Lava, die Panzerdelfine, die Sonnen und das Riesenei wie mit Myriaden schwarzer Zähne von allen Seiten auffraß. Seine Gedanken verschwammen zu einem formlosen Mischmasch, in dem sich fremder Wahnsinn manifestierte.
Poulain schrie los. Lang anhaltend und schrill. Dabei schleuderte er die Schüssel mit voller Wucht nach rechts. Sie knallte gegen die Scheibe. Heißer Eintopf spritzte in der ganzen Kabine umher. Er traf Medior und Habib im Gesicht, verbrühte sie leicht. Sie schrien ebenfalls.
Der Franzose presste die Hände gegen die Schläfen. Sein Schreien ging in ein Wimmern über.
»Papa, was ist?«, heulte Habib. Er wollte seinen Vater berühren. Der schlug urplötzlich wie ein Berserker um sich. Es knirschte, als seine Fäuste gegen die Kabinenwand krachten. Habib wurde am Kopf gestreift und besaß Geistesgegenwart genug, um blitzschnell abzutauchen und sich auf dem Sitz flach zu machen. Poulain brüllte nun wie ein waidwunder Bär.
»Maurice, was ist los?«, schrie Medior panisch. Speichel troff ihm aus dem offenen Mund. Er riss die Fahrertür auf und fiel regelrecht hinaus. Der Länge nach knallte er auf den Boden. Noch immer brüllend, rappelte er sich hoch und taumelte in das Schneetreiben hinaus.
Medior schnappte sich eine Taschenlampe und folgte ihrem Mann. »Bleib hier, Maurice!«
Das Brüllen endete abrupt. Der Lichtkegel riss ein ungläubig dreinschauendes, über alle Maßen erstauntes Gesicht aus der Finsternis. Maurice Poulain kniff die Augen zusammen. Unbeholfen hob er seine Arme. »Ich… ich…«, stammelte er.
Medior umarmte ihn. »Geht’s wieder?«
»Ja. Ich… ich muss wohl durchgedreht sein.«
»Kein Wunder, Liebster. Wir stehen alle unter Stress. Wenn du willst, dann fahre ich ab morgen.«
»Nein, das ist es nicht. Ich habe plötzlich so… so seltsame Bilder gesehen.« Sie gingen zum Truck zurück. Der Franzose drückte den leise schluchzenden Habib an sich und entschuldigte sich tausend Mal. Dann erzählte er seine »Visionen«, wie er sie nannte, in allen Einzelheiten.
Medior nannte sie Halluzinationen. Sie fürchtete, dass sie mit der täglich steigenden Belastung schlimmer werden würden. Das machte ihr Angst.
Mul’hal’waak hatte versucht, Kontakt zu dem größten der drei Primärrassenvertreter aufzunehmen. Als dieser eine Ruhephase direkt neben dem Gefäß einleitete, war der Zeitpunkt gekommen. Der Daa’mure drang machtvoll in die mentale Welt des Primärrassenvertreters ein. Er erwartete, statt der bisher gewohnten zwei Ganglienknoten drei- vielleicht vierhundert zu finden. Stattdessen fand er sich in einem überaus komplexen System wieder, das ihm Millionen von Eindrücken gleichzeitig lieferte.
Diese Datenflut konnte der Daa’mure weder verarbeiten, noch steuern. Er spürte, wie sich seine ontologisch-mentale Substanz in Gedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und etwas völlig Unbekanntem, das aber große Teile des Menschen Mooris’pulajn beherrschte, zu verlieren drohte. »Gefühle« nannte Mooris’pulajn diesen Mental-Pool, der den Daa’muren so sehr verwirrte.
(Was für ein Irrweg der Schöpfung), dachte Mul’hal’waak, als er sich wieder aus Mooris’pulajn zurückzog, bevor er selbst Schaden nehmen konnte. (Ich bin mir fast sicher, dass Mooris’pulajn in dieser Beziehung eine Ausnahme sein muss. Dieser Gefühls-Pool behindert zielgerichtetes Denken und Handeln so stark, dass er eine Evolution völlig unmöglich macht. Keine damit belastete Rasse kann sich jemals zur primären entwickeln.)
(Du kannst zur Bestätigung deiner These die beiden kleineren Biotischen Einheiten als Kontrollgruppe scannen.)
(Genau das werde ich tun. Mooris’pulajn kann ich nicht übernehmen. Es muss mir mit einer der beiden anderen Einheiten gelingen. Diese Biotischen Einheiten sind mobil. Sie können uns zum Wandler zurück bringen.)
Bald darauf wussten die beiden Daa’muren, dass Mul’hal’waaks These falsch gewesen war. Die Biotische Einheit, die sich Mee’djor nannte und sich in ihren Körpermerkmalen leicht von den Einheiten Mooris’pulajn und Haa’beeb unterschied, verfügte sogar über einen noch größeren Gefühls-Pool als die beiden anderen.
(Wenn wir diese Biotischen Einheiten schon nicht übernehmen können, versuchen wir sie zumindest zu beeinflussen), schloss Mul’hal’waak. (Damit sollten wir
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