207 - Weg eines Gottes
vom Gefäß angezogen. Flink kam sie heran. Zwei Kopfscheren, zweigeteilter Körper, ein kräftiger, beweglicher Schwanz mit einem Stachel daran, analysierte der Hal. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich Biotische Einheiten auf einer Art Stelzen fortbewegen konnten. Trotzdem: Für diesen Lebensraum war das ganz sicher die optimale Anpassung.
Wenn der Sol wollte, dass sie künftig auf diesem Planeten lebten und ihn mit dem überragenden daa’murischen Geist bevölkerten, war es im ersten Schritt notwendig, Lebensformen zu übernehmen. Welche dafür am besten geeignet waren, würde sich noch zeigen.
Mul’hal’waak startete einen ersten Versuch. Vorsichtig tastete sich der Daa’mure in das Gehirn der Biotischen Einheit vor. Es bestand lediglich aus zwei Ganglien, und so hatte er keinerlei Probleme, es zu übernehmen. Viel mehr als auf Fressen ausgerichtete Instinkte fand er nicht. Sie wurden von einer fremdartigen, stark eingeschränkten Wahrnehmungsmatrix unterstützt: fünf Paare von Körperöffnungen, die Licht verarbeiten konnten, und eine Kette von Ganglien an der Unterseite, die auf Vibrationen reagierten. Mentale Wahrnehmungen konnte er überhaupt nicht feststellen.
Wie, bei Sol’daa’muran, kann man so in Einklang mit der Schöpfung leben?
Der Daa’mure begann die Lebensform zu beeinflussen und zu lenken. Er und sie waren nun eins. Die Biotische Einheit rannte auf seinen Befehl hin um das Gefäß herum. Immer wieder schoss dabei der Stachel nach vorn, prallte jedoch an der harten Oberfläche des Kristalls ab.
Abrupt beendete der Hal die kleine Spielerei. Sie begann langweilig zu werden. Dieser Planet musste weitaus höher entwickeltes Leben aufweisen. Das galt es zu finden.
Dass er momentan allein war, sah Mul’hal’waak nicht als Problem an. Denn der Wandler hatte den Planeten ebenfalls erreicht. Er spürte die Strahlung, die er aussandte. Sobald es möglich war, würde der Sol alle Überlebenden wieder vereinen. Er musste lediglich warten.
(Kann mich jemand hören?), rief er in die Weite des Planeten hinaus.
(Ja, ich kann dich hören), antwortete eine Stimme direkt neben ihm.
***
Er Rachidia, Marokko, 13. Februar 2012
Seit fünf Tagen war es nicht mehr richtig hell geworden. Enorm viel Dreck und Asche verdunkelten die Sonne und ließen höchstens ein verwaschenes Zwielicht zu. So fuhren die Poulains ständig mit aufgeblendeten Scheinwerfern. Außerdem wurde es jeden Tag kälter. Die Temperaturen lagen bereits nahe des Gefrierpunkts. Auch die Erde bebte immer wieder leicht.
Es war kurz nach der Mittagszeit. Im Moment lenkte Maurice Poulain den Kamas-Truck über steile, schmale Serpentinen durch den Hohen Atlas. Er schwitzte Blut und Wasser. Die Abgründe, die sich eine Handbreit neben den linken Reifen auftaten, konnte er zum Glück nur erahnen. Immerhin erwiesen sich die Straßen als tauglich. Sie hatten durch die Druckwelle nicht allzu viel abbekommen.
Der schwere Dieselmotor arbeitete zuverlässig. Die Scheinwerfer rissen die nächste Einhundertachtzig-Grad-Kurve aus dem Dunkel. Und schwarze Schatten, die über die Straße huschten. Der Franzose verlangsamte etwas. Als sie um die steile Felswand bogen, sahen sie ein Autowrack quer über der Straße liegen.
»Mist«, zischte Poulain. »Siehst du die drei Typen neben dem Auto? Das sind garantiert Strauchdiebe.«
Medior nickte. Ihre Miene war aufs Äußerste gespannt. Habib schnarchte zwischen ihnen auf dem Vordersitz, zusammengerollt wie eine Katze.
Eine der Gestalten bewegte sich. Mündungsfeuer blitzte auf. Ein Gewehrschuss ertönte. Das Echo brach sich an den umliegenden Felswänden. Habib schreckte hoch. Er begann zu weinen.
Maurice Poulain presste die Lippen zusammen, während er den Kamas stark abbremste. »Alles klar, Med? Wir brechen durch. Sohn, Kopf unten halten.«
Medior nickte. »Alles klar.« Sie hatten über derartige Situationen gesprochen. Die Senegalesin nahm das Schnellfeuergewehr, das sie neben sich stehen hatte, legte es über die Knie und lud es durch. Dann kurbelte sie die Seitenscheibe nach unten, während die Gestalten näher kamen. Im Scheinwerferlicht waren sie jetzt deutlicher zu erkennen. Schmutzige, bärtige Männer mit Zahnlücken und tückischen Blicken unter großen Turbanen. Medior nahm blitzschnell die Waffe nach draußen, benutzte den Seitenspiegel als Stütze und zog den Stecher durch. Ein Feuerstoß rüttelte die beiden Strauchdiebe durch, die in ihrem Schussfeld standen. Durch die
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