2071 - Der siebte Ritter
Das wunderbarste war, dass alles blühte. Unablässig, in noch dichteren Wolken als draußen, wurde süß duftender Staub aus Millionen Blüten abgegeben, der sich mittels einer kaum spürbaren Brise in alle Richtungen verteilte. Winzige Nektarvögel und Schmetterlinge schwirrten um die Blüten und saugten sich mit dem kostbaren Pollensaft voll. „Trim", wisperte Startac ergriffen dem Freund zu, „ich kann den Atem des Waldes spüren ..."
„Ich auch", murmelte Trim mit einem träumerischen Ausdruck in den Augen. Und es war noch viel mehr. Ein Pulsieren und Pochen, ein sanftes Auf und Ab, in dem sich die mächtigen Kronen der Bäume wiegten. Dort oben wurde der Wind stärker, doch statt durch die Äste und Blätter zu pfeifen, sang er sanft in einer ständig wechselnden Melodie. „Er spricht zu euch, nicht wahr?" wandte Trim sich an die beiden Blauhäutigen. „Ihr könnt ihn verstehen ..."
„Aber natürlich", meinte Honigschwärmer vergnügt. „Und ihr könntet es auch lernen, wenn ihr genug Zeit habt. Bis dahin werden wir euch aber gern alles übersetzen."
„Ihr fungiert irgendwie als organischer Translator ...", überlegte Startac laut. „Als Sprachrohr ..."
„Alles ist hier organisch, mein Freund", versetzte Morgentau. „Hier gibt es nichts Künstliches oder Technisches. Das brauchen wir alles nicht, obwohl wir natürlich von der Welt dort draußen wissen. Aber dazu gehören wir nicht... schon sehr lange nicht mehr." Honigschwärmer kicherte verhalten in sich hinein. „Die Mundeenas waren einst unsere Feinde", sagte er mit verträumtem Blick. „Schreckliche, grausame Feinde. Nun sind sie nur noch ein Schatten ihrer selbst, ohne Erinnerung an früher. Sie werden sich nie mehr erinnern, denn sie sind degeneriert. Im Gegensatz zu uns. Wir führen hier das Leben unserer Vorfahren, die Mönche waren."
„Entschuldigt bitte", sprach Trim dazwischen, „seid ihr ... Mann oder Frau?" Als ihn drei Augenpaare anschauten, wurde er rot. „Tut mir leid, aber es interessiert mich eben", stammelte er verlegen. „Das ist schon in Ordnung", zwitscherte Morgentau erheitert. „Ich bin Nonne, und Honigschwärmer ist natürlich mein Lebensgefährte. Wir ergänzen uns in allem, das war schon immer so."
„Wir haben uns auch noch nicht vorgestellt ...", fing Startac an. „Das ist jetzt nicht notwendig", unterbrach Honigschwärmer freundlich. „Wir erfahren es bald, wenn wir angekommen sind. Habt Geduld, Freunde!" Sie wanderten eine unbestimmte Zeit immer in eine Richtung, vermutlich dem Herzstück des Waldes zu. Die beiden Monochrom-Mutanten fühlten sich weiterhin geborgen, obwohl sie sich nur im Zwielicht bewegten. Das undurchdringliche Blätterwerk der Baumkronen war jetzt ihr Himmel; die zahlreichen, labyrinthischen Pfade schmal und kaum zu verlassen, so dicht war alles bewachsen.
Startac erzählte Trim, dass er Tiere orten könne, jedoch weitaus weniger als im äußeren Teil des lichteren Waldparks, und sie hielten sich sehr verborgen. Die Mutanten erhaschten höchstens einmal einen kurzen davoneilenden Schatten. Je tiefer sie vordrangen, desto seltener wurden auch die Vogel- und Schmetterlingsschwärme, denn es fielen nur noch vereinzelte rötliche Sonnenstrahlen fast wie Schlaglichter auf den weichen Waldboden.
Die meisten Blüten waren geschlossen und standen so als Futter nicht zur Verfügung. Dann hatten die Mutanten und die blauhäutigen Wesen das Zentrum erreicht.
Vor den beiden jungen Mutanten breitete sich eine lichtdurchflutete Lichtung aus, die etwa fünfzig Meter durchmaß, mit einem im ungehindert herabfallenden Sonnenlicht glitzernden Teich und einem zehn Meter hohen, orchideenähnlichen Riesengewächs in der Mitte. Aus einem mächtigen, in sich verschlungenen und vielfach verzweigten Stamm wuchsen zahllose Orchideenrispen mit Tausenden winziger, zartpastellfarbener Blüten, die unablässig feinen, intensiv süß riechenden Blütenstaub ausstießen, der vom Wind zu kleinen Wölkchen zusammengeballt und davongetragen wurde.
Hier war der Wind stärker ... und deutlich flüsternd. Überall um die Mutanten her wisperte es, teilweise vom Rauschen des Windes in den Ästen übertönt, das manchmal deutlich atmend klang. „Nehmt unsere Hände!" forderte Morgentau die beiden Gäste leise auf. „Wir helfen euch, die Windsprache zu verstehen. Stellt euch hier neben uns, und lasst unsere Hände nicht los! Seht zu dem Stamm und sprecht nicht mehr! Macht euren Geist frei, denkt nicht mehr an eure
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