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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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Dann sagt sie:
    »Vielleicht können wir in die Zeit zurückrufen und die, die vor uns gelebt haben, bitten, ein wenig mehr Rücksicht auf ihre Nachkommen zu nehmen. Wir müssen eben nur so laut rufen, dass sie uns auch wirklich hören.«
    Die alte Frau schüttelt den Kopf. »Das ist unmöglich – aber ich glaube, ich weiß einen anderen Weg.«
    »Dann sag schon! Denkst du an etwas Übernatürliches?«
    »Ich weiß nicht, mein Kind. Vielleicht ist es auch ganz natürlich.«
    Nova lächelt übers ganze Gesicht. »Ich glaube, ich verstehe. Du willst irgendwie versuchen, Kontakt zu denen aufzunehmen, die vor uns auf der Erde gelebt haben. Um sie zu warnen. Du willst ihnen klarmachen, wie die Zukunft aussehen wird, wenn die Menschen nicht aufhören, Raubbau an der Natur zu betreiben. Nun sag schon, Uma, ist es das, was du willst?«
    Die alte Frau nickt geheimnisvoll.
    Aber schon im nächsten Augenblick hat Nova sich die Sache überlegt. Sie steht auf und geht durchs Zimmer. Vor dem hohen, schmalen Fenster bleibt sie stehen und schaut hinunter auf die Straße. Die Dromedare und die kleine Gruppe Menschen sind immer noch da.
    »Es ist unmöglich«, seufzt sie. »Die Natur ist so aus den Fugen, da ist nichts mehr zu reparieren.«
    »Bist du dir da ganz sicher?«, fragt die alte Frau und berührt verschwörerisch lächelnd den Rubin.
    »Geht es um den Rubin?«, fragt die Urenkelin. »Hat es etwas mit dem alten Karfunkelstein zu tun? Bitte, Uma, sag! Soll uns der Rubin die wilden Rentiere zurückbringen?«
    Die Urgroßmutter nickt, und Nova lacht.
    »Hab ich’s mir doch gedacht«, sagt sie. »Ich hab schon immer gewusst, dass in dem alten Edelstein ein Geheimnis steckt.«
    Und wenn es so ist? Kann sie sich da vielleicht noch mehr wünschen?
    »Kann ich auch den Uhu wiederhaben? Nur ein Paar, weißt du. Und natürlich den Otter und den Fetthennenbläuling …«
    Nova kann gar nicht mehr aufhören. Sie muss an so vieles gleichzeitig denken, dass ihr ganz schwindlig wird. Es ist schwindelerregend und herrlich zugleich: Eine Lawine von Wünschen kann plötzlich in Erfüllung gehen. Es ist, wie wenn ein Sternschnuppenschwarm über den Nachthimmel huscht. Nur: Wer kann schon so schnell denken, wie Sternschnuppen fallen? Nova holt tief Luft.
    »Kann ich eine ganze Million Tier- und Pflanzenarten zurückhaben?«
    »Ja, liebes Kind.«
    Wenn es so ist, muss sie alles tun, um sich den Gewinn zu sichern. Also sagt sie: »Und dann die Lebensräume. Es hat ja keinen Zweck, nur irgendwie alle Lebewesen paarweise zu retten wie damals auf der Arche Noah, verstehst du? Natürlich verstehst du das, Uma, stell dich ja nicht dümmer, als du bist! Pflanzen und Tiere müssen schließlich von etwas leben, sie müssen sich wohlfühlen, also müssen zum Beispiel die Regenwälder zurückkehren. Und das Meer muss wieder sauber sein. Die Temperatur im Hochgebirge muss wieder ein paar Grad niedriger gestellt werden, und die afrikanische Savanne muss bewässert und überhaupt erst wieder hergestellt werden, aber das weißt du ja, du bist schließlich nicht doof, nein, wirklich nicht – und wie soll das jetzt gehen?«
    Uma fasst den Ring mit dem roten Stein und sagt mit einer Stimme, die feierlich klingt und fast, als spräche eine Zauberin:
    »Bald wirst du die Erde so zurückerhalten, wie sie war, als ich in deinem Alter war, aber du musst versprechen, gut auf sie aufzupassen. Wir bekommen tatsächlich eine zweite Chance, aber von jetzt an heißt es, immer auf der Hut zu sein, denn noch einmal eine Chance wird es nicht geben.«
    Umas Worte haben einen dumpfen Nachhall, als verklängen sie in einem Keller oder kämen aus einem tiefen Schacht. Aber die alte Frau ist noch nicht fertig.
    »In genau 72 Jahren treffen wir uns wieder. Dann wirst du zur Verantwortung gezogen.«
    Und plötzlich ist Nova todmüde. Es ist nämlich anstrengend, ins größte Zauberkunststück aller Zeiten verwickelt zu sein. Das Zimmer schwankt, und Uma lächelt auf eine kindliche Weise – viel zu kindlich für eine so alte Dame. Sie lehnt den Kopf an die Rückenlehne des Stuhls und sieht auf einmal fast aus, als hätte sie sich zum Sterben hingelegt. Doch dann singt sie mit heiserer, fast röchelnder Stimme, und es klingt, wie Nova sich ein Zauberlied bei einem Hexensabbat vorstellt:
    »Alle Vögel sind schon da … alle Vögel alle! Amsel, Drossel, Fink und Star … und die ganze Vogelschar … alle sind sie wieder da … bringen Glück und Segen!«

DIE ROTEN KARTONS
     
    Nora

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