2097 - Der Atem der Freiheit
sein Gesicht ausdruckslos. Es schien wie aus Stein geschlagen. Nur in den dunkelroten Augen, die unter dichten Augenbrauen lagen, schien eine innere Glut zu brennen. Subeat dom Cyllken war beinahe zwei Meter groß. Er hatte schulterlanges, weißblondes Haar. Wie immer in Situationen wie diesen trug er eine dunkelviolette Jacke mit hochstehendem Kragen, der rechts und links in langen Spitzen auslief. Die dunkelblaue, enganliegende Hose betonte die gut ausgebildete Muskulatur seiner Beine. Der von den Schultern bis fast zu den Knien reichende Schulterumhang bewegte sich unruhig in dem leichten Wind, der von Norden her wehte.
Der Tato stammte aus einer wohlhabenden Familie. Schon vor vier Jahren hatte er das Erbe seines Vaters angetreten. Adelstitel und Vollmachten waren damals auf ihn übergegangen. Seitdem durfte er sich Dom nennen. Die Übernahme der Welten des Ark'Tussan hatte jedoch dazu geführt, dass er mehrfach und sehr erfolgreich als Tato bestellt wurde, so dass sein Vater zu Hause den Stellvertreterposten übernommen hatte. Immerhin galt es die Grafschaft der da Cyllkens mit noch immer weit über dreißig Sonnensystemen zu verwalten.
Stets war Subeat dom Cyllken den Prinzipien Arkons und jenen seiner Familie treu geblieben. Allerdings war er nie zuvor in seinem Leben in einer vergleichbaren Situation wie auf Ertrus gewesen. Bis vor wenigen Perioden hatte er sein Amt etwas steif, durchaus sittenstreng, vielleicht ein wenig arrogant, aber stets fair wahrgenommen. Er hatte ausgleichend gewirkt, aber er hatte stets die nötige Härte bewiesen, wenn es darum gegangen war, Gefangenen wichtige Informationen zu entreißen. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um Arkon zu dienen.
Nun wehrte er sich gegen den Vorwurf, der in ihm selbst aufkam. Er musste das Recht haben, sich im Notfall selbst zu retten. Sein Verhalten durfte nicht als Verrat an Arkon gewertet werden. Schließlich musste er auch an jene Menschen in über 30 Sonnensystemen denken, die unter seiner Herrschaft standen und deren Wohl und Wehe von ihm abhing. Aus ihrer Sicht hatte er geradezu die Pflicht, sich zu retten. Als sich das Schott der Fähre öffnete, schreckte er aus seinen Gedanken auf. Ein Besucher kam zum Vorschein. Es war ein Vertreter aus höchsten Adelskreisen. Subeat zuckte bei seinem Anblick geradezu zusammen. „Willkommen auf Ertrus, Hochedler", grüßte der Tato mit einer Geste des Respekts. Die Eskorte des Besuchers war sehr beeindruckend. Sie bestand aus zwölf schwer bewaffneten Naats und zwanzig Katsugo-Robotern. Katsugos waren Kampfmaschinen, die speziell für den Einsatz auf Ertrus konstruiert worden waren. Sie hatten eine gedrungene, ausgesprochen massige Form, von der man sich eine psychologische Wirkung auf die rebellischen Bewohner dieses Planeten erhoffte. Es waren waffenstarrende, schwerstgepanzerte, mobile Kampfsysteme mit einer Kombination aus einfacher Technik und zuverlässiger Funktion.
Nicht viel weniger bedrohlich als sie wirkten die Naats. Es waren drei Meter hohe Geschöpfe mit kurzen, stämmigen Beinen, überlangen Armen und Kugelköpfen mit drei Augen. Von jeher standen die Naats in den Diensten der Arkoniden. Es hatte einige kurze Unterbrechungen gegeben, doch die spielten angesichts der Jahrtausende, in denen sie ihre Pflicht erfüllt hatten, keine Rolle. „Hochedler, was kann ich tun?" fragte der Tato. „Ich bin nach Ertrus gekommen, um persönlich jene Gefangenen abzuholen, deren Ergreifung du nach Arkon gemeldet hast", antwortete der Besucher. „Jene Gefangenen, die vermutlich USO-Spezialisten sind." Subeat dom Cyllken hatte Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Von Anfang an war er sich darüber klar gewesen, wie wichtig diese Gefangenen waren.
Allerdings hatte er ihre Bedeutung nicht so hoch eingestuft, dass sich ausgerechnet dieser Besucher einschalten könnte, um sie abzuholen. Während er seinen Gast und dessen Eskorte in seine Residenz führte, durchlebte er ein Chaos der Gefühle. Zugleich überschlugen sich seine Gedanken. Er versuchte, sich darüber klarzuwerden, welche Bedeutung der Besuch für sein ganz persönliches Schicksal hatte und wie Arkon die militärische Situation im Kreit-System einschätzte. Der unerwartete Gast traf zu einem Zeitpunkt ein, an dem die Krise ihrem Höhepunkt zusteuerte. Von zahlreichen Beobachtern auf dem ganzen Planeten war dem Tato zugetragen worden, dass die Ertruser ungewöhnlich ruhig waren und trotzdem eine auffallende
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