21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Eigenmächtigkeiten begangen. Halef, Halef, du wirst in deinem ganzen Leben nicht anders werden, als du warst und leider jetzt noch bist!“
„Oh, Sihdi, wünsche ja nicht, daß ich anders werde! Dir gehört ja mein ganzes Herz, und wenn das nicht so bleiben dürfte, so müßte ich dir die Liebe und Freundschaft entziehen, durch welche mein Leben und auch das deinige verschönert werden. Ich bitte, zu glauben, daß ich ganz so bin, wie ich sein soll. Wenn du annimmst, daß ich einen Fehler begangen habe, so irrst du dich.“
„Du scheinst ihm aber doch die Hände freigegeben zu haben!“
„Nur für einen Augenblick!“
„Warum?“
„Ich wollte dich rächen.“
„Das war falsch. Du weißt, wie und was ich über die Rache denke; ein Christ rächt sich nie.“
„So will ich nicht Rache, sondern Strafe sagen.“
„Wenn ein Mensch meinetwegen zu bestrafen ist, so habe ich darüber zu bestimmen, nicht aber du. Was wolltest du denn bestrafen?“
„Daß er dich da oben im Gefängnisse so krumm gefesselt hat. Das mußte dir Schmerzen verursachen, die ich jetzt ihn selbst auch einmal fühlen lassen wollte. Du wirst zugeben, daß er das verdient hat!“
„Dieses sein Verdienst will ich gern anerkennen, nur durftest du ihm diese Anerkennung nicht ohne meine Erlaubnis erteilen.“
„Du bliebst mir zu lange fort, und es drängte mich, ihn von meiner Dankbarkeit so bald wie möglich zu überzeugen. Darum ließ ich ihm die Hände von dem Rücken lösen, um ihn grad so zu binden, wie er dich gefesselt hat. Das war doch ein Gedanke, den du billigen mußt, gegen den du gar nichts haben kannst!“
„Das ist deine Ansicht, aber nicht die meinige. Ihr bandet ihm also die Hände los, und er machte natürlich dann sogleich Gebrauch von ihnen?“
„Allerdings. Dieser Halunke hatte nicht genug Gegenwart der Geistesgaben, um einsehen zu können, daß ihm dies verboten war. Der frühere Kol Agasi und jetzige Bimbaschi hatte, während er ihm die Hände frei machte, einige Worte gesagt, welche ihn in die Übelkeit des Mißbehagens versetzten; er krallte seine Finger um seinen Hals, riß ihn nieder und drückte ihm die Adern so zusammen, daß das Gesicht die Farbe einer Burneta el Kastar (Zylinderhut) annahm, mit welcher die Europäer bei großen Feierlichkeiten ihre Häupter nach oben zu verlängern pflegen. Es wurde uns himmelangst um den Angegriffenen, dessen Atem die Bequemlichkeiten seines irdischen Daseins verlassen wollte, denn der Säfir hing so fest an ihm wie ein Wüstenfloh, der sich in die nackte Zehe eines Wanderers verbissen hat. Mehrere Männer hatten trotz seiner verletzten Hand sehr zu tun, ihn loszureißen. Er wurde natürlich sofort in der Weise gebunden, wie ich es beabsichtigt hatte; aber die Ausdrücke, welche wir dabei von ihm zu hören bekamen, kann ich dir nicht berichten, denn sie enthielten solche Lästerungen Allahs und so große Beleidigungen unserer Personen, daß auch ich lästern und beleidigen würde, wenn ich sie wiederholte. Er schimpft noch jetzt aus voller Kehle. Hörst du ihn? Komm also mit hin! Ich hoffe, daß du mir gestattest, ihm meinen Standpunkt nun endlich einmal klar zu machen, aber nicht etwa auch auf seinen Stand-, sondern auf denjenigen gefühlvollen Punkt, auf welchem er zu sitzen pflegt. Es ist die höchste Zeit für ihn, zu erfahren, daß diejenigen Empfindungen die lieblichsten sind, deren Dasein man auf der von mir erwähnten Stelle bewiesen bekommt!“
Er fuchtelte, um mir den tief humanen Sinn seiner Worte zu erklären, energisch durch die Luft und schritt mir dann nach der Stelle voran, wo der Säfir lag oder vielmehr saß.
Dieser war krumm geschlossen, und zwar so, daß man hätte meinen sollen, es sei ihm kaum möglich, Atem zu holen, brüllte aber trotzdem wie ein unvernünftiges Wesen in einem fort und ließ Flüche und Drohungen hören, welche geradezu empörend und, wenigstens was die letzteren betraf, bei seiner hilflosen Lage im höchsten Grade lächerlich waren. Als er mich erblickte, erhob er seine Stimme bis zum Überschnappen und warf mir Verwünschungen entgegen, welche förmlich das Gefühl des Zurückprallens erregten. Seine Lippen geiferten; die rot unterlaufenen Augen gaben seinem an sich schon widrigen Gesichte einen nicht bloß tierischen, sondern viehischen Ausdruck; ich hatte keinen Menschen, sondern eine unsagbar niedrige, gemeine Kreatur vor mir, die demgemäß behandelt werden mußte.
„Halef, haue ihn, bis er schweigt!“ rief ich
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