Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Piaster, welche du ihm schuldest, zu ihm.“
    „Was sonst, Effendi?“ fragte der Dicke mit der unschuldigsten Miene.
    „Du willst erzählen; du willst von den zweimal hunderttausend Piastern sprechen; du willst, um die Größe deiner Klugheit und Vorsicht zu beweisen, sogar sagen, wo sie stecken. Ich kenne dich!“
    „Welch eine fürchterliche Beschuldigung! Wenn du es wünschest, werde ich weniger, viel weniger sagen. Ist es dir recht, daß ich bloß von hundertfünfzigtausend spreche oder gar von hunderttausend? Ich will ja gern bescheiden sein!“
    „Du wirst gar nicht von dem Geld sprechen; Hadschi Halef Omar geht allein!“
    „Das sagst du so bestimmt! Ist's ein Kommando, dem ich gehorchen muß?“
    „Ja.“
    Da watschelte der Onbaschi nach der Wand, legte beide Hände an, ließ sich in der schon beschriebenen Weise mühevoll in die sitzende Stellung niedergleiten und seufzte dann:
    „So setze ich mich und stehe gar nicht wieder auf. Wenn er die Sachen holt, ohne mich mitzunehmen, mag er sie auch braten und kochen ohne mich! Ich muß mich fügen, weil ich dazu gezwungen werde. Da sitze ich! Nun bin ich aber sehr gespannt darauf, zu erfahren, was ihr während eurer Abwesenheit erlebt habt, und bitte dich, Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi, es uns jetzt zu erzählen!“
    Da fiel Halef schnell und energisch ein:
    „Nein, nein! Effendi, versprich mir, zu schweigen und kein Wort zu sagen, bis ich wiederkomme! Du weißt, daß nur ich die Gabe der Rede und den Beruf der entzückenden Erzählung habe. Du würdest mich um einen der schönsten aller irdischen Genüsse bringen, wenn du mir das Recht entzögest, der einzige oder doch wenigstens der erste zu sein, der von den Ereignissen am Birs Nimrud sprechen darf. Ich bitte dich also dringend, zu warten, bis ich wiederkomme! Willst du, lieber Sihdi?“
    „Ja“, antwortete ich.
    „Du wirst kein Wort, aber ja kein einziges, sagen?“
    „Ich will dir die Freude nicht verderben; aber wenn du jetzt in der Stadt herumlaufen und dich dann lange in der Küche beschäftigen mußt, wird die Geduld des Bimbaschi zu sehr auf die Probe gestellt.“
    „Ich werde eilen; ja, ich werde förmlich springen. Zu braten oder zu kochen, fällt mir gar nicht ein, sondern ich werde nur solche Speisen kaufen, die wir gleich so, wie ich sie bringe, essen können. Du wirst also warten und schweigen?“
    „Eine halbe Stunde, länger nicht!“
    „Das ist mir genug; ich komme noch eher, noch viel eher wieder. Leb also einsteilen wohl, und halte deinen Mund!“
    Mit dem letzten Wort war er schon zur Tür hinaus, und als er nachher wieder hereintrat, war erst die Hälfte der zweiten Viertelstunde vorüber; er schwitzte, so sehr hatte er sich beeilt.
    „Es liegt alles in der Küche“, meldete er. „Was soll erst geschehen, das Erzählen oder das Essen?“
    „Das Erzählen“, antwortete der Bimbaschi.
    „Das Essen“, rief der Dicke.
    „Oder beides zugleich?“ fragte ich.
    „Nicht zugleich!“ bat Halef. „Mein Mund ist doch kein Tor, durch welches man zu gleicher Zeit hinein- und herausgehen kann! Wandert ein Stück Fleisch hinein, so kann nicht in demselben Augenblick der Schönheitsglanz meiner Sprache auf den Lippen erscheinen. Ich bitte dich, nicht zuzugeben, daß die hinreißende Kraft der Ausdrucksweise durch das Verlangen des Magens und die Arbeit der Zähne nicht bloß in den Schatten gestellt, sondern ganz und gar verdunkelt werde!“
    „So erzähle jetzt, und später essen wir. Kepek wird inzwischen wohl nicht vor Hunger sterben!“
    Der Dicke antwortete nur mit einem ebenso tiefen und langen wie entsagungsvollen Seufzer, wobei er die gefalteten Hände auf diejenige Stelle legte, wo bei ihm unter der schützenden Fettschicht der edle Vorgang der Verdauung stattzufinden pflegte. Halef aber setzte sich in Positur und begann seinen Vortrag mit einer Miene, aus welcher zu schließen war, daß wir ein Meisterstück orientalischer Beredsamkeit zu hören bekommen würden.
    Und wir bekamen es! Damit mag alles gesagt sein. Ich habe seine Art und Weise, sich auszudrücken, schon oft erwähnt und brauche also nur zu konstatieren, daß er die beabsichtigte Wirkung vollständig erreichte. Oft aufspringend, um seine Worte mit energischen Gestikulationen zu begleiten, riß er den Bimbaschi förmlich hin, und selbst Kepek war so ganz bei der Sache, daß er von der Wand, an welcher er lehnte, vor lauter Aufmerksamkeit immer tiefer rutschte und, als Halef mit einem bombastischen Satz

Weitere Kostenlose Bücher