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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schloß, mit dem Kopf auf dem Boden lag.
    „Welch ein gefährliches, wunderbares Ereignis!“ rief der Bimbaschi aus. „Es war ganz unmöglich, zu ahnen, daß ihr so etwas erleben würdet!“
    „Ich bin weg; ich bin nicht mehr da!“ klagte der Dicke. „Die Aufmerksamkeit hat mich umgebracht; es tun mir vor Entzücken alle meine Glieder wehe! Hilfe, Hilfe! Hadschi Halef, heb mich auf!“
    Halef gab sich alle Mühe, dieser Aufforderung nachzukommen. Als er den vor Anstrengung krebsrot gewordenen Diener endlich auf hatte, schlug dieser die feisten Hände zusammen und gestand, indem er vor Bewunderung die kleinen, kaum sichtbaren Augen verdrehte:
    „Ihr seid wirklich wahre Helden! Euch ist nichts zu viel und schwer! Also dieser brüllende Löwe, der Säfir, ist gefangen, wirklich gefangen?“
    „Ja“, antwortete Halef stolz. „Es ist alles genau so, wie ich erzählt habe. Dieser brüllende Löwe, wie du ihn nennst, ist jetzt ein zertretener Wurm, der euch nichts mehr schaden kann.“
    „Vielleicht doch!“ entgegnete der Bimbaschi. „Er ist ein so gefährlicher Mensch, daß man sich nur dann, wenn er gestorben ist, nicht mehr vor ihm zu ängstigen braucht. Daß ihr trotz meiner Warnung mit ihm angebunden habt, war kühn, war sogar verwegen von euch. Ich bewundere, Effendi, deinen Mut, deine Umsicht, deine Kaltblütigkeit, deine Klugheit und List; ich bin dir stete Dankbarkeit dafür schuldig, daß du dabei in dieser Weise an mich gedacht hast; ihr habt vollbracht, was kein anderer fertig brächte; aber ich kann nur dann erst ruhig sein, wenn ich weiß, ganz gewiß weiß, daß er nicht mehr lebt!“
    Als ich ihm hierauf antworten wollte, ertönte draußen an der Pforte ein starkes Klopfen.
    „Es kommt jemand, Emir“, sagte Kepek zu seinem Herrn. „Geh du, um nachzusehen! Ich bin so ermüdet vom Zuhören, daß ich mich wieder setzen muß!“
    Er rutschte wieder an der Wand auf den Boden nieder, und der gehorsame Bimbaschi schlürfte zur Tür hinaus. Es dauerte längere Zeit, bis er zurückkehrte; er kam nicht allein, sondern brachte – – – Amuhd Mahuli mit, dem ich unsere Wohnung allerdings genau beschrieben hatte.
    „Verzeih, Effendi, daß ich dich schon heut belästige!“ begrüßte er mich. „Ich wollte dich erst morgen besuchen; aber der Pascha vertraute mir diese zwei Briefe an, welche ich noch heut abzugeben habe.“
    Er zog zwei Schreiben aus der Tasche, von denen er das eine dem Bimbaschi und das andere mir überreichte. An mich war adressiert: ‚Emir Kara Ben Nemsi Effendi aus Dschermanistan‘; unser Gastfreund wurde auf seinem Briefe nicht Bimbaschi (Major), sondern Mir Alai (Oberst) tituliert.
    „Das ist entweder ein Versehen, oder der Brief ist nicht an mich“, sagte er.
    „Es ist kein Versehen, und der Brief gehört dir“, antwortete Amuhd Mahuli lächelnd. „Ich hatte einen langen, ausführlichen Bericht Osman Paschas zu überbringen, der unser sehr warm gedacht zu haben scheint, denn als der hiesige Pascha das Schreiben gelesen hatte, war er von doppelter Freundlichkeit als vorher, reichte mir die Hand und bestätigte meine Ernennung zum Bimbaschi. Er ließ Kaffee und Pfeifen bringen, und ich mußte mich zu ihm setzen und erzählen. Dann schrieb er diese Briefe und schickte mich hierher. Ich las die Adresse und erlaubte mir, darauf aufmerksam zu machen, daß Mir Alai anstatt Bimbaschi geschrieben worden sei; da sagte er mir, daß Osman Pascha es so wolle; morgen abend werde er das übrige sagen.“
    Wir öffneten die Briefe; sie enthielten die außerordentlich höfliche Einladung zum Ascha (Abendessen, Hauptmahlzeit im Orient) beim Pascha für morgen, weiter nichts, aber doch genug!
    „Zum Ascha eingeladen! Beim Pascha! Und dieser höhere Rang!“ rief der alte Pole erregt. „Was hat das zu bedeuten?“
    „Daß Osman Pascha mir Wort gehalten hat“, antwortete ich. „Du bist, was wir bei uns rehabilitiert nennen, und noch mehr, denn mir schwant, daß du morgen deine Ernennung zum Oberst erfährst.“
    Da ließ er den Brief aus den Händen fallen und sprach:
    „Wäre das wirklich möglich? Dann fehlt nur noch die Hinrichtung des Säfir, um mir wenigstens in dieser Beziehung meine Ruhe, meinen Frieden zurückzugeben!“
    „Die Hinrichtung des Säfir?“ fragte Amuhd Mahuli. „Der ist ja tot!“
    „Tot?“ ließ da ich mich hören. „Davon weiß ich ja nichts!“
    Da richtete Amuhd Mahuli einen sehr bezeichnenden, verständnisinnigen Blick auf mich und antwortete

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