21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Frau kennt?“
„Weil er es ist, der sie gezwungen hat, in dem Kulluk (Wachtturm) zu wohnen, den sie nicht verlassen darf.“
„Er hat sie nicht bei sich in Suleimania?“
„Nein. So nahe will er sie nicht haben, denn er fürchtet sich vor ihr. Er hat sie in die Berge schaffen lassen, wo hoch oben das dicke Gemäuer des Kulluk steht, welcher vor langer, langer Zeit zur Bewachung der Grenze gebaut worden ist. Dort steckt sie unter der Aufsicht der Dawuhdijehs, welche aufpassen müssen, daß sie sich nicht entfernt.“
„Also eine Gefangene?“
„Ja.“
„Und doch sagst du, daß sie Kranke heile und noch sonstige Wunder tue?“
„Das habe ich gesagt, und es ist wahr.“
„So scheint es doch, als ob man sie nicht allzu streng bewacht?“
„Man läßt keinen Menschen zu ihr in den Turm. Wenn jemand mit ihr sprechen will, darf sie bis an die Tür kommen, wofür man den Dawuhdijehs ein Geschenk zu geben hat.“
„So ist zu schließen, daß sie eigentlich niemanden zu ihr lassen sollen, dies aber des Bakschisch wegen nicht so scharf nehmen, wie der Pascha es befohlen hat. Sonderbar ist es, daß er sie nicht durch Soldaten, sondern durch die Dawuhdijehs bewachen läßt!“
„Den Grund kenne ich nicht.“
„Wie lange steckt sie wohl schon in dem Kulluk?“
„Das weiß ich nicht; es ist aber schon lange her, seit ich zum erstenmal von ihr hörte.“
„Welche Sprache spricht sie?“
„Man kann arabisch, türkisch, kurdisch und auch persisch mit ihr reden.“
„Kennst du die Gegend, in welcher der Turm liegt?“
„Ja.“
„Aber so genau, daß du mir als Führer dorthin dienen könntest?“
„Ja. Wir sind schon einigemal dort gewesen, früher, als der Kulluk leer stand und es Sahira noch nicht hinter seinen starken Mauern steckte.“
„Das ist mir lieb, denn ich kenne ihn noch nicht.“
„Willst du hin?“ fragte er schnell.
„Ja.“
„Ich denke, du hast keine Zeit!“
„Ich habe allerdings so wenig Zeit, daß ich mich durch gewöhnliche Gründe nicht abhalten lassen würde, direkt und ohne alles Säumen nach Bagdad zu reiten; aber um eine Frau zu sehen, welche Wunder tut, kann man schon ein solches Opfer bringen.“
„So werdet ihr also bei uns bleiben?“
„Ja.“
„Hamdullillah! Wenn dies der Fall ist, können wir sicher sein, daß wir Schevin mit dem Knaben und auch ihre Begleiter zurückbringen werden! Effendi, ich danke dir! Du konntest mir gar keine größere Freude bereiten! Nun mögen die Dawuhdijehs vorhaben, was sie wollen, wir brauchen keine Sorge zu haben. Selbst wenn es zwischen ihnen und uns zum Kampf käme, würde dieser für uns ein siegreiches Ende nehmen!“
„Was das betrifft, so will ich nicht zögern, dir ein notwendiges Wort zu sagen. Du hast, wie du uns vorhin mitteiltest, viel von uns gehört; da wirst du wahrscheinlich auch erfahren haben, daß wir zwar furchtlose Männer sind, aber den Frieden lieben und darum so viel wie möglich jeden Streit, jede Feindseligkeit zu umgehen suchen. Genau so werden wir uns auch jetzt verhalten.“
„Aber wenn die Dawuhdijehs nun weniger friedlich gesinnt sind und uns zum Kampf zwingen?“
„So bleibt uns vorher noch immer die List, durch welche man ohne Opfer an Blut und Leben oft mehr erreicht als durch sofortiges Dreinschlagen mit den Waffen. Wir haben diese Erfahrung sehr oft gemacht.“
„Wir sind ja auch gar nicht darauf versessen, das mit Gewalt zu erzwingen, was wir ohne sie erreichen können. Ich habe die dreihundert Krieger aber mitgenommen, um für alle Fälle gerüstet zu sein.“
„So bin ich mit dir einverstanden, und wir können uns also über die notwendigen Maßregeln, welche zu treffen sind, besprechen.“
„Welche Maßregeln meinst du da?“
„Ich meine, daß wir doch wissen müssen, wohin wir uns zu wenden haben, um die Gesuchten zu finden.“
„Ja, wo sie stecken, das wissen wir nicht. Ich habe dir schon gesagt, daß die Aussagen und Vermutungen unserer Kundschafter in Beziehung auf diesen Punkt nicht miteinander übereinstimmen.“
„Hm! Da ist es ja grad so gut, als hättet ihr gar keine Späher ausgeschickt! Ich meine, daß solche Leute gar nicht eher zurückkehren dürfen, als bis sie wissen, woran sie sind; so habe wenigstens ich es stets gehalten. Soviel ich weiß, gibt es nomadische Dawuhdijehs und auch solche, welche zwischen Bazian und Kafri seßhaft sind. Um welche handelt es sich?“
„Um alle, denn die Seßhaften schließen sich stets den anderen an, wenn es ein
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