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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein riesiger Palast; beide Paläste waren durch einen unterirdischen Tunnel verbunden.
    Die hervorragendsten Gebäude von Babel, welches keilschriftlich Bab ilu, d.i. Pforte Gottes, heißt, waren das alte, über eine Meile im Umfange haltende Königsschloß, die Hängenden Gärten der Semiramis und der von einer dreifachen Mauer umgebene neue Palast, den zahllose Bildhauerarbeiten schmückten.
    Die berühmten Gärten der Semiramis wurden von einer 22 Fuß dicken Mauer umgeben und bildeten ein Viereck von 160.000 Quadratfuß Flächenraum. Auf hohen, gewölbten Bogen erhoben sich amphitheatralisch gelegene Terrassen, zu denen man auf zehn Fuß breiten Stufen emporstieg. Die Plattformen dieser Terrassen waren mit 16 Fuß langen und 4 Fuß breiten Steinen belegt, damit kein Wasser hindurchdringe. Auf diesen Steinen gab es eine dicke Lage verkittetes Rohr, hierauf zwei Reihen gebrannter Ziegel, welche mit Harz verbunden waren, und dann hatte man noch eine Bleidecke hergestellt, auf welche man die beste Pflanzenerde so hoch aufschüttete, daß die stärksten Bäume tief und bequem Wurzeln schlagen konnten. Auf der obersten Terrasse befand sich ein ungeheurer Brunnen, welcher das nötige Wasser aus dem Fluß sog und dann über die Gärten ergoß. Unter jeder Terrasse waren Hallen angebracht mit prächtigen, des Nachts erleuchteten Gartensälen, in denen man sowohl den Duft der köstlichsten Blumen wie auch die herrliche Aussicht auf alle Teile der Stadt und ihre Umgegend genießen konnte.
    Das größte Bauwerk der Stadt aber war der Turm zu Babel, von welchem uns die heilige Schrift erzählt. Die Talmudisten behaupten, er sei siebzig Meilen hoch gewesen. Nach orientalischen Überlieferungen betrug seine Höhe 10.000 Klaftern, nach andern Traditionen 25.000 Fuß, und es soll eine ganze Million Menschen zwölf Jahre lang an ihm gearbeitet haben. Während dies selbstverständlich übertrieben ist, scheint die Wahrheit zu sein, daß sich allerdings mitten aus dem großen Tempel des Baal ein Turm erhoben hat, dessen Grundfläche ungefähr tausend Schritte im Umfange hatte, während seine Höhe bis 800 Fuß betrug. Er bestand aus acht Stockwerken, deren jedes höhere eine kleinere Basis hatte als dasjenige, auf welchem es stand. Durch ein achtmal um die Außenmauer des Turms laufendes Treppenwerk gelangte man auf die Höhe des Turms. Jedes dieser Stockwerke enthielt große gewölbte Hallen, Säle, Zimmer und Gänge, deren Bildsäulen, Tafeln, Tische, Stühle und Gefäße von purem Golde waren. Im untersten Stockwerke stand die Bildsäule des Baal, welche tausend babylonische Talente wog und also einen Wert von mehreren Millionen Talern hatte. Auf dem obersten Stockwerk befand sich eine Sternwarte, in welcher die Astronomen ihre Beobachtungen vornahmen. Alle diese Schätze des Turms, welche nach Diodorus 6.300 goldene Talente wert gewesen sein sollen, wurden von Xerxes geraubt und fortgeschafft. Nach der morgenländischen Mythe soll sich in dem Turm auch ein Brunnen befunden haben, dessen Tiefe genauso groß wie die Höhe des Turmes gewesen sei. Alexander der Große wollte den eingestürzten Turm wiederherstellen und ließ über zehntausend Menschen nur an der Wegräumung des Schutts und der Trümmer arbeiten, wurde aber durch seinen frühen Tod verhindert, seinen Vorsatz auszuführen.
    Das war Babel. Und jetzt – – –?
    Wie oft hatte ich die Weissagung Jeremias gelesen, welche wie Posaunenschall über das von Gott gerichtete Sinear erklang! An den Wassern Babylons, an den Ufern des Euphrat und an den Rändern der Seen und Kanäle saßen die heimatlosen Söhne Abrahams; ihre Saitenspiele, Psalter und Harfen hingen stumm an den Weiden, und ihre Tränen rannen zum Zeichen der Buße über ihre Sünden. Und wenn je eine der Harfen erklang, so ertönte sie vor Sehnsucht nach der Stadt, die den Tempel Jehovas barg, und der Schluß des Klageliedes war: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von denen mir Hilfe kommt.“ Und der Herr erhörte diese Gebete. Es erklang die gewaltige Stimme Jeromijahus aus Anathot, den wir Jeremias nennen, und das weinende Volk lauschte seinen Worten:
    „Dies ist das Wort des Herrn wider Babel und das Land der Chaldäer: Es zieht von Mitternacht ein Volk herauf, das euer Land zur Wüste machen wird; es hat Bogen und Schild und ist grausam und unbarmherzig; sein Geschrei ist wie das Brausen des Meeres. Fliehet aus Babel, damit ein jeder seine Seele errette, denn es ist ein Kriegsgeschrei und

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