21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
sich dort nicht sehen zu lassen. Wer sich aber vor den Augen anderer zu scheuen hat, erregt Verdacht, und so sahen wir ihnen mit begründetem Mißtrauen entgegen.
Als sie sich uns weit genug genähert hatten, sahen wir, daß sie persisch gekleidet waren, und einige Sekunden später erkannten wir sie.
„Maschallah!“ sagte Halef. „Das ist ja der Pädär-i-Baharat mit seinen beiden Halunken! Welch ein Zusammentreffen! Wer hätte das für möglich gehalten!“
„Es war nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich“, antwortete ich. „Wir wissen ja, daß der Pädär-i-Baharat von dem Säfir erwartet wird.“
„Warum bist du da nicht auf den Gedanken gekommen, ihm auszuweichen?“
„Weil es nicht nötig ist, eine offene Begegnung mit ihm zu scheuen. In Bagdad hatten wir uns vor einem hinterlistigen Überfalle in acht zu nehmen; hier aber gibt es nicht den geringsten Grund, uns vor ihnen zu verbergen. Ich denke vielmehr, daß sie es sind, welche Ursache haben, uns zu meiden.“
„Das ist sehr richtig, Effendi. Jetzt aber bin ich neugierig, wie sie sich verhalten werden. Ich werde aus Fürsorge die Peitsche aus dem Gürtel nehmen!“
Wir hatten uns, als wir abgestiegen waren, auf den Boden niedergesetzt, und zwar so, daß die Pferde zwischen uns und den Nahenden standen; darum konnten sie uns nicht eher erkennen, als bis sie uns erreicht hatten. Als da aber die Augen des Pädär-i-Baharat auf uns fielen, riß er unwillkürlich sein Pferd zurück und stieß einen Fluch zorniger Überraschung aus.
„Seht, wer da sitzt!“ rief er seinen Gefährten zu. „Allah gibt sie in unsere Hände; wir wollen sie sofort zum Scheïtan senden!“
Er nahm sein Gewehr nach vorn, um es auf uns anzulegen; aber Halef war ihm zuvorgekommen, indem er das seinige auf ihn gerichtet hatte, und antwortete mit der Drohung:
„Tu sofort die Flinte weg, sonst frißt dich meine Kugel! Du wärst der Kerl, uns zu dem zu schicken, zu dem du selbst gehörst! Macht euch nur schleunigst davon, sonst werden euch die Schwielen von letzthin aufgewärmt!“
Da auch ich, um die Sache abzukürzen, meinen Stutzen in Anschlag nahm, getraute sich keiner von ihnen, einen Schuß zu wagen; aber der Grimm des Pädär war so groß, daß er trotz der auf ihn gerichteten Gewehre halten blieb und uns zuschrie:
„Denkt ja nicht, ihr Hunde, daß euch das, was ihr getan habt, geschenkt wird! Wir treffen euch auf alle Fälle wieder, und dann werden wir Riemen aus euren Fellen schneiden, um euch damit totzupeitschen. Allah zerschmettere alle eure Knochen!“
Nun ritten sie weiter. Für Halef war es natürlich unmöglich, auf diese Drohung zu schweigen; er rief ihm nach:
„Die deinigen koche der Teufel und gebe sie seiner Urahne als Bulamadsch es Suwehd (Pflaumenmus) zu essen!“
Dann wendete er sich lachend an mich:
„Sihdi, habe ich das nicht gut gemacht mit dem Bulamadsch es Suwehd?“
„Ja, du bist außerordentlich geistreich gewesen; ich bewundere dich, lieber Halef!“
„Spotte nicht! Ich mußte ihm doch antworten, denn es wäre eine Feigheit von mir gewesen, ihm das letzte Wort zu lassen. Wie kann dieser Dummkopf drohen, daß er uns wiedertreffen und sich dann rächen werde? Er sieht ja, daß wir uns auf dem Wege nach Bagdad befinden!“
„Da irrst du. Er hat uns nicht reiten, sondern nur hier sitzen sehen; er weiß also nicht, daß wir schon in Hilleh waren, sondern ist der Meinung, daß wir aus Bagdad kommen und von ihm eingeholt worden sind. Darum ist er so überzeugt, uns wiederzusehen.“
„Das kann leicht möglich werden, da wir doch nach dem Birs Nimrud zurückwollen. Er wird freilich von dem Säfir erfahren, daß wir schon dort gewesen und jedenfalls nach Bagdad geritten sind.“
„Viel wichtiger als dieses ist mir er Umstand, daß der Pädär-i-Baharat den Khan Mohawid vermieden hat. Es muß eine Ursache dazu vorhanden sein.“
„Aber welche wohl, Effendi?“
„Ich vermute, daß sich Leute dort befinden, die ihn nicht sehen sollen. Errätst du, wer das ist?“
„Erraten? Ich? Sihdi, du weißt, daß ich alle Dinge durchschaue, sobald sie den Mut besitzen, mir vor die Augen zu kommen; aber was sich vor meinem Angesicht verbirgt, das kann ich doch nicht sehen. Darum habe ich das Erraten stets dir überlassen und bleibe dieser Gewohnheit auch in dem gegenwärtigen Fall treu. Also sag du, wer es ist!“
„Mit Gewißheit kann natürlich auch ich es nicht bestimmen, aber ich denke, daß ich mit meiner Vermutung das
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