21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Richtige treffe. Ich ahne nämlich, daß es die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi ist, welche im Khan Einkehr gehalten hat. Es sind Leute bei dieser Karawane, welche den Pädär kennen; darum sandte ja der Säfir die beiden Boten, ihn zu warnen. Er ist auch ohne diese Warnung auf seiner Hut und hat einen Umweg gemacht, um nicht gesehen zu werden. Nun sucht er den Säfir auf, um ihm zu melden, daß der Pischkhidmät Baschi schon nahe ist und der Überfall der Karawane nun bald stattfinden kann.“
„Sihdi, denkst du nicht, daß wir diese Leute warnen müssen?“
„Ja, das ist unsere Pflicht. Hoffentlich schenken sie uns Glauben!“
„Warum sollten sie die Wahrheit dessen, was wir sagen, bezweifeln?“
„Es ist mir oft geschehen, daß grad solche wohlgemeinten Warnungen mit Undank zurückgewiesen wurden. Können wir Beweise bringen, wenn man welche verlangt?“
„Eigentliche Beweise freilich nicht; aber wenn es einer wagen sollte, mir in das Gesicht zu sagen, daß er uns keinen Glauben schenke, so erleuchte ich seinen dunklen Verstand mit den Strahlen meiner Peitsche. Komm, laß uns weiterreiten! Ich möchte gern so bald wie möglich wissen, ob es wirklich die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi ist, die wir sehen werden.“
Wir setzten unsern Ritt fort, sahen nach noch nicht einer halben Stunde den Khan vor uns liegen und lenkten in das Tor desselben ein. Als wir den Hof vor uns liegen sahen, zeigte uns der erste Blick, daß die Karawane hier war. Es gab außer ihr mehrere Gruppen von Pilgern und Leichentransporteuren, welche sich aber bescheiden in die Winkel zurückgezogen hatten, denn der Zug des Kammerherrn war so reich ausgestattet, daß sich niemand in die Nähe der zu ihm Gehörigen wagte. Wir aber ritten ungeniert zwischen den Personen hindurch, um an dem Brunnen abzusteigen. Dieses ungezwungene Verhalten schien ihr Mißfallen zu erregen; wir hörten sie darüber murren und bemerkten gar wohl die unfreundlichen Blicke, welche sie uns deshalb zuwarfen, machten uns aber nichts daraus.
Die Karawane zählte zwölf wohlbewaffnete Reiter zu Pferd und sechs Lastkamele, welche mit, wie es schien, wertvollen Paketen beladen waren. Die Pferde gehörten dem mittelguten persischen Schlag an; eines von ihnen aber war das wirklich schöne Produkt einer Kreuzung zwischen arabischer und turkmenischer Rasse. Es schien dem Pischkhidmät Baschi zu gehören und trug ein reiches, silberplattiertes Geschirr. Dieses Zurschautragen der Wohlhabenheit war für die hiesigen Verhältnisse nichts weniger als klug; sie forderte die Raublust geradezu heraus.
Im Schatten der Plattform war ein kostbarer Teppich ausgebreitet, auf welchem der ‚Kammerherr‘, seine Hukah (Wasserpfeife) rauchend, Platz genommen hatte. Er war ein schwarzbärtiger Mann in den Dreißigern und so splendid gekleidet, daß man sein Bestreben, seinen hohen Stand zur Geltung zu bringen, nicht verkennen konnte. Sein Anzug war mit echt goldenen Borten und Tressen besetzt; ein weicher Kaschmirschal schlang sich um seine Hüften; die schwarze hohe Schmaschenmütze gehörte wohl zu den teuersten, die ich gesehen hatte, und seine Waffen funkelten nur so von eingelegter Arbeit. Welch eine Unvorsichtigkeit inmitten einer Bevölkerung, die den Raub nicht als ein Verbrechen, sondern nur als lohnenden Sport betrachtet! Ähnlich, wenn auch nicht so kostbar, waren auch seine Begleiter gekleidet und bewaffnet.
Als wir abgestiegen waren, schickte er einen dieser Leute mit der Aufforderung zu uns, zu ihm zu kommen.
„Was sollen wir bei ihm?“ fragte ich.
„Ihm pflichtschuldigst sagen, wer und was ihr seid, und ihm beweisen, daß euch das Recht zusteht, in seiner beglückenden Nähe zu verweilen.“
„So! Wer ist denn er?“
„Er ist der Pischkhidmät Baschi des Beherrschers der Welt und darf den Titel Ämin-i-Huzur (Vertrauter der kgl. Gegenwart) führen.“
Der Mann sagte das in einer so dünkelhaften Weise, und in den Gesichtern seiner dabeistehenden Gefährten lag eine solche Fülle der Anmaßung, daß ich in abweisendem Ton antwortete:
„Des Beherrschers der Welt? Wo gibt es einen Regenten, der die Welt beherrscht? Pischkhidmät Baschi? Also ein Angestellter, welcher Dienste zu verrichten hat! Ämin-i-Huzur? Also Vertrauter einer andern Gegenwart, aber nicht der meinigen! Ich bin kein Diener wie er; wie kannst du sagen, daß ich mich ihm pflichtschuldigst zu nahen habe!“
„So weigerst du dich also?“ fragte er streng.
„Weigern? Pah! Bin ich ein
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